Wetter „Gaga-Frühling“: Eisig und dann noch Sturm

Trier · Nach einem kühlen April folgt nun Regen. Seit den frühen Morgenstunden fegt ein Sturm durchs Land. Für die Jahreszeit ist es seit Wochen viel zu frostig, sagen Meteorologen. Die Kälte könnte für die Bauern teuer werden. Im Wald haben die niedrigen Temperaturen aber auch ihren Vorteil.

 Was gesät wurde, will – wie auf diesem Acker bei Kleinich im Hunsrück – einfach nicht wachsen. Denn dafür war es zuletzt viel zu kalt.

Was gesät wurde, will – wie auf diesem Acker bei Kleinich im Hunsrück – einfach nicht wachsen. Denn dafür war es zuletzt viel zu kalt.

Foto: TV/Katharina de Mos

Nach all den heißen Jahren  hatte man sich schon fast daran gewöhnt, dass der Winter nahtlos in den Sommer übergeht. Dass es von einem auf den anderen Tag plötzlich warm wird und die Natur explodiert. Doch dieses Jahr?

Es stürmt wie im Herbst. Und nur sehr, sehr zögerlich durchzieht Anfang Mai ein zartes Grün den Wald. Auf den Äckern steht junger Weizen und will nicht wachsen. Und auch Gemüsegärtner können lange warten, ehe Salat und Spinat sprießen, während sich das kälteempfindliche Junggemüse auf der Fensterbank stapelt und die Tulpen blühen und blühen.

„Es war zu trocken und viel zu kalt. Alles steht und nichts entwickelt sich“, sagt Manfred Zelder, Chef des Bauern- und Winzerverbands Bernkastel-Wittlich. Was Nachmittags grün werde, könne in der kommenden Nacht schon wieder erfrieren.

Wetterdaten bestätigen den Eindruck vom außergewöhnlich kühlen Frühjahr. Meteorologe Dominik Jung spricht gar von einem „Gaga-Frühling“. Der April sei der kälteste seit 40 Jahren  gewesen. In Trier habe die Temperatur 0,9 Grad unter dem langjährigen Mittel gelegen, in Manderscheid 0,8 Grad. Auffällig ist aber vor allem der viele Nachtfrost. In Manderscheid wurden im April 2021 16 frostige Nächte gemessen – doppelt so viele wie im Vorjahr. In Trier verdreifachte sich die Zahl der Frostnächte sogar auf insgesamt zehn.

Hinzu gesellt sich nun ein für die Jahreszeit ungewöhnliches Sturmtief namens Eugen, das aber immerhin den von Gärtnern und Landwirten ersehnten Regen bringen könnte – wenn der denn überall fällt und nicht nur einzelne Dörfer überschwemmt: Jung zufolge sind Gewitter mit Starkregen und Windgeschwindigkeiten um die 100 km/h möglich.

Schon wieder ist der Boden aktuell etwas zu trocken. So fielen in Manderscheid im April nur 75 Prozent des üblichen Regens, in der Moselmetropole laut Jung 90 Prozent. Zu alledem passt, dass es deutlich sonniger war als sonst.

„Die Trockenheit ist aber nicht unser Problem, sondern die nächtliche Kälte“, betont Nikolaus Schackmann, Pflanzenbau-Experte beim Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Eifel. Bei Nachttemperaturen von fünf bis acht Grad – „da wäre die Welt in einer Woche eine andere“.

Vor einem Jahr da sei die Landschaft um diese Zeit sehr gelb gewesen. Nun wird der Raps aber noch zwei Wochen brauchen, ehe er voll in Blüte steht. Große Schäden sind an den Pflanzen deswegen zwar bisher nicht entstanden, doch ist die Verzögerung „für viele Rinder-Betriebe wirtschaftlich eine ganz gefährliche Situation“, sagt Zelder. Nach drei Dürrejahren seien keine Futtervorräte mehr da. Weil das Gras auf den Wiesen nicht wächst, verzögert sich der erste Schnitt um Wochen und die Bauern müssen teuer zukaufen. Deshalb sehe man auf den Straßen der Region zuletzt auch so oft auswärtige LKW mit Heu und Silage.

Auch die Winzer hoffen auf Wärme und Wasser. Frostschäden, wie es sie in den vergangenen Jahren öfter gab, blieben diesmal weitgehend aus, weil die Pflanzen erst jetzt richtig austreiben.  „Wir hatten Glück, dass die Reben hier noch nicht so weit waren“, sagt Ansgar Schmitz von Moselwein e.V.

Im Wald macht sich erneut Trockenheit bemerkbar. So berichtet der Bitburger Forstamtsleiter Jürgen Weis, dass die übliche Frühjahrspflanzung in den Herbst verschoben werde. Es sei schon wieder zu wenig Wasser im  Boden. Zu groß ist da die Gefahr, dass junge Bäume vertrocknen. „Zum Glück haben wir Mischwälder, wo das Waldbrandrisiko nicht so groß ist“, sagt Weis. Laut Deutschem Wetterdienst herrscht in der Region Trier aktuell eine mittelgroße Waldbrandgefahr – Gefahrenstufe 3 von 5.

Ein Gutes hat der „Gaga-Frühling“ aber für den Wald, der nach drei heißen, trockenen Jahren stark geschädigt ist: Auch der gefürchtete Borkenkäfer kann sich in einem so kalten Frühjahr nur gebremst entwickeln. Die Aktivität des Buchdruckers beginne bei 14 bis 16 Grad, sagt der Forstamts-Chef. Damit sei jetzt schon absehbar, dass die Käfer dieses Jahr maximal zwei und keine drei Generationen ausbilden können. „Das macht uns Hoffnung, dass wir den ganz massiven Druck nicht bekommen.“ Entwarnung kann Weis allerdings nicht geben: Aktuell sei die Populationsdichte des Schädlings weiter hoch. Wie schlimm der Befall wird, zeigt sich dann im Juni, wenn die Käfer sich „eingebohrt“ haben.

Ein Trost für alle – auch für jene, die sich nach einem Terrassenbesuch sehnen: Nach einer durchwachsenen, weiterhin kühlen Woche, soll es ab dem Muttertags-Wochenende schön warm werden. Mancherorts laut Jung sogar richtig heiß.

So wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, so bedeutet ein kaltes Frühjahr nicht, dass der Klimawandel gebremst wäre.  Uwe Kirsche, Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) betont: „Auch in Zeiten der Erderwärmung ist ein deutlich zu kühler Monat zwar seltener, aber immer möglich.“ Das  ändere nichts am Trend. Seit Aufzeichnungsbeginn 1881 habe sich die Monatsmitteltemperatur im April in Deutschland um knapp zwei Grad erhöht. Schon im nächsten Jahr könnte der Winter also wieder nahtlos in den Sommer übergehen, während die Natur explodiert.

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