Amtsgericht verurteilt Trierer Gastwirt

Trier · Das Amtsgericht Trier hat den Gastwirt Norbert Freischmidt gestern zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt. Er habe in Hunderten Fällen die Sozialabgaben für seine Mitarbeiter nicht gezahlt - vorsätzlich. Freischmidt legte daraufhin sein Stadtratsmandat nieder. Er war Mitglied der CDU-Fraktion.

 Norbert Freischmidt. Foto: privat

Norbert Freischmidt. Foto: privat

Trier. Staatsanwältin Anna Koch braucht eine volle Stunde, um die Anklageschrift zu verlesen. Sie zählt jeden einzelnen der enormen Masse an Vorwürfen auf, denen sich Norbert Freischmidt stellen muss. Der Gastwirt und sein Anwalt Roderich Schmitz hören mit an, wie die Staatsanwältin mit immer schwächer werdender Stimme eine unendlich scheinende Liste von Mitarbeiternamen und nicht gezahlten Sozialabgaben verliest.
Norbert Freischmidt streitet diese Vorwürfe nicht ab. Stattdessen hat er alles getan, um die Ermittlungen zu unterstützen. Er hat mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls, deren Routineüberprüfung in seiner Gaststätte Cubiculum den Fall ins Rollen gebracht hatte, zusammengearbeitet und ihr all seine Bücher und Unterlagen zur Verfügung gestellt. Er hat mit den Sozialkassen einen Vergleich ausgehandelt und 70 000 Euro zurückgezahlt - mit Hilfe eines Darlehens einer Brauerei, das ihn in den kommenden Jahren mit 700 Euro im Monat belasten wird. Mit den Kassen ist Freischmidt im Reinen. Mit dem Gesetz noch nicht.
Nicht die Schuld ist das zentrale Thema der Verhandlung, sondern der Vorsatz. Lässt es sich beweisen oder entkräften, dass der Gastwirt die Sozialabgaben absichtlich einbehalten hat? Vom Gericht wird Freischmidt nicht zu seinen Intentionen befragt, aber seine Argumentation steht seit Erhebung der Anklage 2011: Er habe nicht gewusst, dass studentische Hilfskräfte sozialversicherungspflichtig sind.
Staatsanwältin Anna Koch glaubt ihm nicht. Sie stützt sich auf ein Schreiben Freischmidts an seine Mitarbeiter aus dem Jahr 1999, das im Lauf der Ermittlungen aufgetaucht ist. Darin heißt es: "Alle Aushilfen müssen ab sofort angemeldet werden, da ich mich sonst strafbar mache." Koch fordert nicht nur eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung, sondern auch 10 000 Euro für eine gemeinnützige Einrichtung. Freischmidts Anwalt Roderich Schmitz plädiert für einen Freispruch oder allenfalls eine Geldstrafe, die nicht als Vorstrafe gelten dürfe.
Kurz nach 14 Uhr verkündet Richter Helmut Reusch das Urteil: acht Monate auf Bewährung. Freischmidt kann Rechtsmittel einlegen. Ob er das tun wird, steht noch nicht fest.
In 217 Fällen habe der Inhaber des Cubiculum den Sozialkassen zwischen 2006 und 2011 die Arbeitgeber- und in 146 Fällen die Arbeitnehmerbeiträge nicht gezahlt. "Einen Irrtum wird Ihnen niemand abnehmen", sagt Reusch. "Sie haben gewusst, dass Sozialversicherungspflicht bestand, das beweist auch das Schreiben an Ihre Mitarbeiter."
Am frühen Montagabend teilt Freischmidt in einer gemeinsamen Presseerklärung mit CDU-Fraktionschef Ulrich Dempfle mit, er habe "in Reaktion auf das Urteil" sein Mandat im Stadtrat niedergelegt. Er habe diese Entscheidung "aus Respekt gegenüber dem Stadtrat und meinen Kollegen" getroffen. Freischmidt hätte nach Rechtskraft des Urteils auf Antrag aus dem Stadtrat ausgeschlossen werden können. Das lässt die Gemeindeordnung zu, wenn ein Ratsmitglied zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten oder mehr verurteilt wird.

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