"Beten Sie, ich gehe jetzt leiden!"

Sie war eine erfolgreiche jüdische Kauffrau, bis sie ihrem Leben eine andere Richtung gab: Aus Else Michaelis wurde Schwester Mirjam im Trierer Kloster St. Josefsstift. Ein Buch erzählt die Lebensgzeschichte der Nonne, die 1942 in Auschwitz starb.

Trier. "Beten Sie, ich gehe jetzt leiden"" Mit diesen Worten ging Schwester Mirjam in Begleitung eines SS-Mannes auf ihr Zimmer, um ihre Sachen zu packen. Der Transport ins Lager stand an. Es war der 2. August 1942. Eine Woche später war die Trierer Josefsschwester Mirjam Else Michaelis tot: Ermordet in Auschwitz-Birkenau.

Ein neues Buch, 176 Seiten stark, erzählt die Lebensgeschichte der Berliner Jüdin, die sich zum Katholizismus bekehrte und 1928, bereits 39 Jahre alt, Nonne in Trier wurde.

Zeitzeugin schreibt über Zeitzeugin



"Zum einen geht es mir um den Lebensweg und das Schicksal von Schwester Mirjam, zum anderen möchte ich den zeitgeschichtlichen Hintergrund aufzeigen", sagt Buchautorin Irmgard Schmidt-Sommer.

Die promovierte Germanistin aus Stuttgart ist selbst Zeitzeugin: "Als Kind und Jugendliche habe ich den Nationalsozialismus erlebt", berichtet sie. "Wir lebten in einem jüdischen ,Ghettohaus' in Ulm. Wir mussten mit ansehen, wie diese unterdrückten Menschen ,abgeholt' wurden." Besonders betroffen gemacht habe sie die Hilflosigkeit ihrer eigenen Familie.

"Ich trage so viele Tode in mir, dass ich dem Leben dienen will", schreibt Irmgard Schmidt-Sommer in ihrem neuen Buch ", Es wird alles fügen...' - Das Lebensopfer von Mirjam Else Michaelis, Josefsschwester von Trier". "Zu diesem ,Lebensdienst' gehört auch die Darstellung des Lebens und Sterbens von Schwester Mirjam Else Michaelis, die mir dabei zur Schwester geworden ist."

Unter dem Titel "Von Liebe geleitet" hatte Irmgard Schmidt-Sommer die Biografie der Gründerin der Trierer Josefsschwestern, Mutter Gertrud Gräfin Josephine von Schaffgotsch, verfasst. "Zusammen mit der Archivarin Schwester Luitgard Schilz bin ich auf Briefe von und über Schwester Mirjam und auf ihre Betrachtungen gestoßen, das hat mich fasziniert", berichtet sie.

"Schwester Mirjam war eine unwahrscheinlich zielstrebige Frau. Sie hat ihre Eltern früh verloren und wurde Gesellschafterin bei vermögenden Damen. Doch sie wollte Kauffrau werden und wurde es." Nach einigen erfolgreichen Jahren lernte Else Michaelis im Krankenhaus katholische Schwestern kennen und war von deren Hilfsbereitschaft überwältigt: "Warum machen Sie das?"

Sie ließ sich taufen, mit 39 Jahren schließlich konnte sie ins Trierer Josefsstift eintreten: "Die Generaloberin Mutter Clara hat ihren dringenden Wunsch gespürt." Andere Gemeinschaften hatten sie abgewiesen. Nach einem Jahr erhielt sie mit der Aufnahme ins Noviziat den Namen Mirjam - Maria auf Hebräisch.

Nach einigen Jahren im Trie-rer Mutterhaus wurde sie nach Saarlouis versetzt, später nach Berlin. 1939 floh sie in eine niederländische Filiale der Trierer Josefsschwestern. Die Sicherheit war trügerisch: Im August 1942 verhaftete die SS alle katholisch getauften Juden, darunter Schwester Mirjam und Schwester Teresia Benedicta - die heilige Edith Stein.

Ein Stolperstein vor dem St. Josefsstift in der Trierer Franz-Ludwig-Straße erinnert an Schwester Mirjam.

Das Buch von Irmgard Schmidt-Sommer, erschienen im eos-Verlag, ist für 9,80 Euro im Buchhandel erhältlich.

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