Inklusion Finanzielle Gründe – Projekt Dialog im Dunkeln wird in Trier nicht fortgesetzt

Trier/Hamburg · Blinde führen Sehende durch die Welt der Dunkelheit: Nach dem großen Erfolg in der Pauluskirche sollte das Projekt dauerhaft in Trier angesiedelt werden. Doch aus finanziellen Gründen wird nichts daraus.

„Wir möchten, dass es weitergeht“: Die rheinland-pfälzische Arbeits- und Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (Mitte, mit Manfred Bitter, Vorstand der Nikolaus-Koch-Stiftung,  und Guide Vivian Hösch) am 4. April 2019 beim Besuch des „Dialog im Dunkeln“ in der Pauluskirche. Doch die Ausstellung wird nicht in Trier fortgeführt.

„Wir möchten, dass es weitergeht“: Die rheinland-pfälzische Arbeits- und Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (Mitte, mit Manfred Bitter, Vorstand der Nikolaus-Koch-Stiftung,  und Guide Vivian Hösch) am 4. April 2019 beim Besuch des „Dialog im Dunkeln“ in der Pauluskirche. Doch die Ausstellung wird nicht in Trier fortgeführt.

Foto: Roland Morgen

Eine Ausstellung, in der es nichts zu sehen gibt, war 2019 ein großer Renner in Trier. Insgesamt 13 500 Besucher, 60 Prozent davon Schüler, erlebten den „Dialog im Dunkeln“ in der Pauluskirche. Blinde führten Sehende durch die Welt der Dunkelheit – ein Rollentausch inklusive spannender Erfahrung für die übrigen Sinne.

Die „Entdeckung des Unsichtbaren“ (Untertitel der Ausstellung) war ermöglicht worden durch das Zusammenspiel höchst unterschiedlicher Institutionen. Veranstalter war der Hamburger Verein Dialog im Dunkeln, der gemeinsam mit dem Ausstellungsgestalter Dialogue Social Enterprise GmbH (DSE) das Konzept realisierte. Die Trierer Nikolaus-Koch-Stiftung und das Mainzer Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung unterstützten das Social-Franchise-Projekt finanziell; weitere Sponsoren waren die Globus-Stiftung, das Hotel Park Plaza und die Pfarrei Liebfrauen, die die entweihte Kirche zu günstigen Konditionen zur Verfügung stellte.

Ursprünglich sollte der Dunkel-Dialog am 31. Juli 2019 enden. Wegen wachsenden Zuspruchs einigten sich die Beteiligten auf eine zweimalige Verlängerung um fünf auf 13 Monate. Die Hoffnung, dass die Ausstellung Trier erhalten bleiben könnte, nährte nicht zuletzt die Mainzer Sozial- und Arbeitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler: „Wir möchten, dass es weitergeht“, hatte sie beim Besuch der Ausstellung im April erklärt (der TV berichtete). Die liege „ganz auf der Linie das Landes. Wir unterstützen Inklusionsbetriebe nach Kräften. Das ist keine Bezuschussung, sondern eine volkswirtschaftlich sinnvolle Investition, denn wir bekommen ganz viel zurück.“

Konkret sah das so aus: Im Zuge der Ausstellung in Trier waren 20 Arbeitsplätze entstanden. 13 Blinde oder Sehbehinderte, davon fünf in Vollzeitbeschäftigung, fungierten als Guides; weitere sieben Frauen und Männer besorgten das Drumherum wie Kassen- und Empfangsdienst. Hinzu kamen die Unterstützer von DSE.

Und eine Nachfolgelösung zeichnete sich bereits ab. Als heißer Kandidat für die Trägerschaft galt die gemeinnützige Bürgerservice GmbH Trier. Deren Geschäftsführer Gregor Schäfer bestätigte gegenüber dem TV das Interesse: „Wir können uns eine Fortführung durchaus vorstellen, damit dieses innovative Projekt der Sinneswahrnehmung der Stadt und der Region Trier erhalten bleibt. Mehr aber noch deshalb, weil wir als Inklusionsunternehmen den dort jetzt beschäftigten beeinträchtigten Menschen eine längerfristige berufliche Perspektive bieten möchten. Voraussetzung ist natürlich, dass die Fortführung auf einem tragfähigen Finanzierungskonzept aufgebaut werden kann.“

Doch daraus ist nichts geworden. Aus der Pauluskirche hat sich der „Dialog im Dunkeln“ inzwischen plangemäß verabschiedet. Die Bemühungen, ihn an anderer Stelle in Trier weiterzuführen, sind gescheitert. „Leider!“, bedauert Bürgerservice-Prokuristin Monika Berger; „Es lag an der schwierigen Finanzierung.“ Die Unterstützung aus Mainz etwa in Form einer Fehlbedarfsdeckung ist ausgeblieben. Konkret geht es um bis zu eine halbe Million Euro, die das Ministerium hätte zuschießen müssen, um den nach Hamburg (Gründungsstandort) und Frankfurt dritten dauerhaften „Dialog im Dunkeln“ in Deutschland zu ermöglichen.

„Schade!“, sagt auch Annkatrin Meyer, Vorstandsvorsitzende von Dialogue Social Enterprise (Hamburg). Sie zeigt wie Monika Berger Verständnis. „Es handelt sich eben  um ein personalintensives Projekt an der Schnittstelle von Kultur und Sozialem, das sich nicht selbst tragen kann.“ Die Gesamtkosten der 13-monatigen Ausstellung in der Pauluskirche beziffert Annkatrin Meyer auf rund 800 000 Euro.

150 000 Euro als Grundförderung steuerte die Nikolaus-Koch-Stiftung bei, die aus Anlass ihres 25-jährigen Bestehens den „Dialog im Dunkeln“ als Leuchtturmprojekt nach Trier geholt hatte. „Wir sind zufrieden“, bilanziert Geschäftsführerin Barbara Stahl. So habe die Bildungsstiftung die Besuche von 80 Gruppen aus 22 Schulen (14 aus Trier, acht aus umliegenden Landkreisen) mit zusätzlichen 15 000 Euro an Zuschüssen für Eintritt und Fahrtkosten unterstützt. Die Rückmeldungen der Gruppen (vorwiegend aus Berufsschulen und Realschulen plus) waren laut Barbara Stahl „durchweg sehr positiv. Dennoch ist es schade, dass nicht mehr Schulklassen dieses einmalige Angebot angenommen haben. Wir hoffen, dass sich die Besucher mit dem Thema ‚Sehbehinderung‘ auf selbsterfahrende Art auseinandersetzen und für sich persönlich etwas aus dem Ausstellungsbesuch mitnehmen konnten.“

Annkatrin Meyers Fazit fällt ebenfalls positiv aus: „Die Rückmeldungen an uns zeigen: Es war ein lohnendes Experiment. Wir haben einen Samen gepflanzt. Vielleicht entwickelt sich doch noch etwas daraus.“

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