Geschichte Irrungen, Wirrungen und Geselligkeit

Trier · Sie wurde in dem Jahr gegründet, in dem Karl Marx zur Welt kam: Die Casino- Gesellschaft Trier blickt auf 200 Jahre bewegte Vereinsgeschichte zurück. Darin spielt der berühmte Sohn der Stadt ebenso eine Rolle wie das Theater.

Ein Casino muss nicht für Roulette und Poker stehen. Im Fall der Trierer Casino-Gesellschaft geht es um Geselligkeit und Engagement in der Stadt. In diesem Jahr feiert sie ihren 200. Geburtstag – genau wie Karl Marx. Dieser wohl berühmteste Sohn der Stadt spielt in der Historie der Gesellschaft ebenso eine Rolle wie das damals schon gebeutelte Theater.

Bei ihrer Gründung 1818 nannte sie sich noch „Gesellschaft des literärischen Casinos“ und glich einem Lesezirkel. Kultur, Bücher und ein reges Vereinsleben standen im Vordergrund. Von 1825 an traf man sich in den Räumlichkeiten am Kornmarkt, die noch heute „Casino“ heißen. Dort gab es eine Weinkellerei, eine Bowlingbahn und überregionale Tageszeitungen, aber auch viele Feste und Bälle – also alles, was seinerzeit für Männer höherer Gesellschaftsschichten von Interesse war. Karl Marx, so sagt es die Legende, hat seine Jenny von Westphalen bei einem jener aufwändigen Bälle kennengelernt. Völlig abwegig erscheint das nicht: Karl Marx‘ Vater Heinrich war  Gründungsmitglied der Casino-Gesellschaft.

Ganz so entspannt – ein Ball hier, ein Tanztee dort – ging es für die Mitglieder aber nicht immer zu. Über die Jahre fand sich die Gesellschaft immer wieder inmitten politischer Umbrüche wieder, von der 48er Revolution über den Ersten Weltkrieg und eine französische Besetzung des Clubhauses am Kornmarkt über eine anschließende preußische Besetzung bis hin zu den Nationalsozialisten und dem Zweiten Weltkrieg. Letztere ernannten anstelle des Vorsitzenden einen Casino-Führer und widmeten das Clubhaus zum Militärstandort um.

Am Kriegsende ging das Clubhaus am Kornmarkt verloren. Heute ist die Gesellschaft bei ihren regelmäßigen Treffen in anderen Lokalen der Stadt zu Gast.

Trotz aller Irrungen und Wirrungen ist sich die Gesellschaft mit ihrem Programm bis heute treu geblieben. „Sie organisiert Vorträge und Theaterbesuche, unterstützt aber auch  soziale und kulturelle Projekte“, sagt Rudolf Müller. Der studierte Historiker ist seit vielen Jahren Mitglied und arbeitet an einer Chronik, die die wichtigsten historischen Stationen der Gesellschaft beleuchtet.

Eine wichtige Veränderung zeigt der aktuelle Vorsitzende Michael Witzel auf: „Die Casino-Gesellschaft ist deutlich jünger geworden. Als ich vor mehr als 30 Jahren Mitglied wurde, war ich der Jüngste.“ Die Gesellschaft wolle Mitglieder aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu Kommunikation und gedanklichem Austausch anzuregen mit dem Ziel, sich im privaten und öffentlichen Leben verantwortlich einzubringen.

Dazu gehört auch der Schutz des Theaters als lebendiger Kulturraum. Die Casino-Gesellschaft unterstützt es – zuletzt stellte sie 1000 Euro für die Kinder- und Jugendarbeit  zur Verfügung – oder über Abowerbung: So wurden 50 zusätzliche Abos verkauft.  Witzel weist auf eine Parallele zum Gründungsjahr der Casino-Gesellschaft hin:  Damals sei das Trierer Theater in einer ähnlichen Situation gewesen wie heute. Daraufhin hätten Mitglieder der Casino-Gesellschaft Verwaltungstätigkeiten, Organisation und Finanzierung im Theater übernommen.

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