Theater Trier: Protokoll der Misswirtschaft

Trier · Der Bericht des Rechnungsprüfungsausschusses offenbart eklatante Mängel bei Intendanz und Kulturdezernent Thomas Egger. Nach ihrer Klausursitzung wollen nun auch CDU und Grüne Egger abwählen.

Es war eine der ersten öffentlich sichtbaren Änderungen, die Karl Sibelius als neuer Generalintendant einführte: Tea Trier, ohne h und ohne -ter, hieß das Stadttheater plötzlich nur noch. Im Programmheft, auf der offiziellen Internetseite und bei Facebook.

Genauso falsch wie die Rechtschreibung lief die Organisation und finanzielle Verwaltung des Theaterbetriebs unter Sibelius. Nachzulesen ist das im geheimen Bericht des städtischen Rechnungsprüfungsausschusses, der dem TV vorliegt. Dass die politische und inhaltliche Verantwortung bei Kulturdezernent Thomas Egger liegt, drückt der Ausschuss - dem Egger selbst angehört - nicht explizit aus. Zweifel daran lässt die Analyse allerdings nicht.

"Erste Versäumnisse des Dezernenten": Dass Karl Sibelius für das Millionendefizit des Stadttheaters wohl nicht juristisch verantwortlich gemacht werden kann, liegt auch daran, dass er laut offizieller, seit 2004 gültiger, Dienstordnung der Stadt lediglich die künstlerische Verantwortung trug. Denn der Beschluss des Stadtrats von 2013, kaufmännische und künstlerische Verantwortung zu bündeln und beim künftigen Generalintendanten zusammenlaufen sollen, wurde erst im Juli 2016 in eine neue Dienstverordnung gegossen. "Hierin zeigen sich erste Organisationsversäumnisse des Dezernatsbüros/Dezernenten", heißt es dazu im Bericht.

Überforderung: Während die bisherigen Intendanten "nur" die künstlerische Verantwortung trugen, sollte Sibelius zumindest laut Arbeitsvertrag auch die kaufmännische übernehmen, gleichzeitig die Umwandlung des Theater in eine Anstalt des öffentlichen Rechts begleiten und auch den Neubau beziehungsweise die viel umstrittene und hoch komplexe Generalsanierung des Theaters. Es stelle sich die Frage, ob "die Fülle der übertragenen Aufgaben an eine Person nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt war", moniert der Prüfbericht. Und: "Wäre nicht von vorneherein ein Controlling seitens des Dezernates erforderlich gewesen?"

Spielplan: Aber auch Dinge, die von einem nur künstlerisch verantwortlichen Intendanten verlangt werden können, liefen gründlich schief: Offenbar gab es nahezu täglich Änderungen des Spielplans - Aufführungen wurden kurzfristig abgesagt oder neue Stücke aufgenommen. Beim Musical Jesus Christ Superstar stand bis zuletzt nicht fest, ob es im Großen Haus oder im Walzwerk aufgeführt werden sollte. Durch die kurzfristigen Wechsel sei es zu "erheblichem Mehraufwand und vielfältigen Problemen gekommen", heißt es im Prüfbericht. In der Spielzeit 15/16 haben zudem mehr als doppelt so viele Aufführungen in Außenspielstätten stattgefunden - etwa im Walzwerk oder im Kasino am Kornmarkt. Bühnenauf- und Abbau, Materialtransport, Technik, zusätzliches Personal haben enorme Kosten verursacht. Die Kosten für die Toilettenwagen, die bei Aufführungen im Walzwerk auf dem Gelände aufgestellt werden müssen, hatte niemand bei der Budgetierung der Aufführungen berücksichtigt - um nur eins der vielen Beispiele im Prüfbericht zu nennen.

Explosion der Produktionskosten: Wegen nicht berücksichtigter Kosten - zum Beispiel fehlen teilweise Sozialversicherungsbeiträge bei den Honorarkalkulationen - kostete das Musical Jesus Christ Superstar statt 257?400 Euro satte 324?838 Euro. Die Produktion "Falsche Welt" - die nach nur zwei Aufführungen wegen mangelnden Zuschauerzuspruchs beendet wurde - gut 100?000 Euro mehr, als ursprünglich geplant.
Beim Midsummer Night's Dream waren ein Bühnenbildbudget von 8000 Euro vertraglich ausgehandelt, und vom Intendanten nachträglich auf 13?000 Euro erhöht. Unstimmigkeiten habe es auch bei der Höhe von Honraren und Reisekostenabrechnungen gegeben. "Es gab bis dato zu keiner Produktion eine Kontrolle und Übersicht der aktuellen Ausgaben/Aufträge", moniert der Prüfbericht.

Keine Kontrolle: Die in der gesamten Stadtverwaltung geltende Dienstanweisung für Investitionen und Auftragsvergaben "ist in weiten Teilen des Theaters völlig unbekannt", konstatiert der Bericht. Für Aufträge über 10?000 Euro seien zwar teilweise Vergleichsangebote eingeholt worden, ein Vergabeverfahren allerdings nicht eingehalten worden. Höhere fünfstellige Aufträge seien zum Teil mündlich, ohne Vergleichsangebote, vergeben worden. "Die Ermächtigung zur Auftragsvergabe innerhalb der Ämter wird vom zuständigen Dezernatsbüro erteilt", weist der Prüfbericht die letztliche Verantwortung für dieses Chaos Egger zu.

Keine neuen Gastverträge: Zugute hält der Bericht dem Intendanten, dass dieser nach Einführung des Vier-Augen-Prinzips mit Thomas Egger als kommissarischem Verwaltungsdirektor am 6. Juni 2016 Intendant Sibelius "keine Gastverträge mehr alleine unterzeichnet hat".

Seit Ende Oktober schreibt sich das Stadttheater übrigens wieder mit h und -ter. Ohne Kommentar hat Noch-Generalintendant Karl Sibelius zumindest auf der offiziellen Facebook-Seite des Theaters die Schreibweise korrigiert. Die anderen Fehler werden sich nicht so schnell ausbessern lassen.Kommentar

Himmelfahrtskommando

Bis ins Detail zeigen die 32 Seiten des Theaterprüfberichts, dass Sibelius nicht einfach nur tolles Theater machen wollte und sich dabei verrechnet hat. Er beherrscht offenbar auch das Handwerkszeug für die künstlerische Leitung eines Theaters nicht. Die Alarmsirenen müssen im Rathaus seit Jahresanfang geschrillt haben. Warum hat Thomas Egger nicht hingesehen, warum nicht gehandelt? Vielleicht, weil er sich dann eine eigene, viel frühere Fehlleistung hätte eingestehen müssen. Unter seiner Regie hatte die Stadt 2013 die Stelle eines Generalintendanten mit Managementqualitäten ausgeschrieben - und den Paradiesvogel Sibelius eingestellt. Der hatte zwar Theatermanagement studiert, aber noch keine großartige Erfahrung nachzuweisen. In offenbar völliger Selbstüberschätzung diente sich der Österreicher an - und die Stadt übertrug ihm das Himmelfahrtskommando. Dezernent und Rat steckten fortan den Kopf in den Sand. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Doch, es konnte sein. Und es kostet die Trierer Millionen. c.wolff@volksfreund.de
Extra: CDU und Grüne wollen Egger-Abwahl

Bei ihrer - teils gemeinsamen - Klausurtagung am Wochenende haben die Stadtratsfraktionen von CDU und Grünen darüber abgestimmt, ob sie die von der SPD initiierte Abwahl von Kulturdezernent Thomas Egger unterstützen. 24 der insgesamt 29 Räte stimmte dafür, aus der CDU gab es nach TV-Informationen eine Enthaltung, bei den Grünen vier.
FWG, FDP und AfD hatten bereits vorige Woche angekündigt, einen Abwahlantrag zu unterstützen, der von mindestens der Hälfte der 56 Stadtratsmitglieder unterschrieben werden muss (der TV berichtete). Nach Einreichung eines solchen Antrags bei der Stadtverwaltung muss laut Gemeindeordnung eine 14-tägige "Ruhefrist" eingehalten werden. Die Abwahl Eggers - der mindestens Zweidrittel der Stadträte zustimmen müssen - könnte damit frühestens Ende November/Anfang Dezember stattfinden.Extra: AfD will Strafanzeige stellen

Die AfD will am Montag bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Dezernent Egger und Intendant Sibelius einreichen. "Es besteht der Verdacht auf Veruntreuung von Steuergeldern, das darf nicht ohne strafrechtliche Aufklärung bleiben", erklärt der Trierer AfD-Chef und Landtagsabgeordnete Michael Frisch. Egger trage als Dezernent und seit Juni als kommissarischer Verwaltungsdirektor die juristische Verantwortung für alle Vorgänge am Theater.

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