Zeitreise auf 3000 Quadratmetern

Trier · Nur mannsbreit ist der Durchlass am Kassenhäuschen. Wer den Wegezoll entrichtet, begibt sich etwa 1000 Jahre zurück mitten ins Mittelalter. 60 Aussteller bieten typische Waren feil, demonstrieren historische Handwerkskunst und Spielleute sorgen für Kurzweil auf dem ersten Mittelaltermarkt der Saison im Trierer Messepark.

Trier. "Oh, du hattest eine schöne Mütze - bis eben", sagt der Gawan (Markus Mohr), greift aus drei Metern Höhe zu, und schon trägt er das braune Käppchen mit der Fasanenfeder auf dem Kopf, das gerade noch ein munterer Bürger sein Eigen nannte. Währenddessen wiegen sich die beiden holden Damen von Nenufar (Sherazat und Nimué) mit orientalischer Grazie zur Musik von Pipes \'n\' Strings. "Ich bin dein größter Fan", krakeelt Gawan aus luftiger Höhe, denn auf seinen Stelzen überragt er alles Volk, das sich in den Gassen zwischen Werkstätten, Händlerbuden und Tavernen tummelt. Das bunte Markttreiben eröffnet Graf Georg zu Veldenz (Gilbert Haufs-Brusberg), indem er die Marktordnung von Schloss Schreckenstein verkündet.
Speisen wie in Ritterzeiten


Einige Besucher lassen sich derweil Met schmecken, andere greifen bei deftig Gebratenem zu, das seinen Duft in der Halle verströmt, wieder andere naschen lieber Zuckerwerk. "Ich liebe es, aus einem Horn zu trinken", sagt John (35) aus Amerika und nimmt einen großen Schluck. Stolz ist er auf sein Schwert, das ihm am Gürtel hängt, und findet alles einfach "fascinating" - der Met-Genuss tut ein Übriges dazu.
Weniger martialisch sind Bruder Petrus und Bruder Samuel unterwegs. Die Bettelmönche in zerlumpten Kleidern, Holzpantinen und mit von Lepra gepeinigten Gliedern bitten um milde Gaben. Ihnen weichen die Passanten auf dem Mercatus Treveris aus, während sie sich um Gaukler Jo (Joachim Fladl) scharen und der lieblichen Bardin Nuria (Ina Lemm) und ihrer Drehleier lauschen oder zur Musik von Jan Rolph von Heidweiler und Helene von Holzerode schunkeln und zum Lohn Händegeklapper spenden. Drechsler, Schuster und Schreiner zeigen ihre Kunst, während draußen im nordischen Lager echte Kerle den eisigen Temperaturen trotzen.
Nicht nur Kommerz soll Ziel der beiden Markttage sein. "Brauchtumspflege ist uns wichtig", sagt Veranstalter Rudi Becker. Für die Aussteller - 60 sind aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland gekommen, einer sogar aus Paris - sei der Trierer Markt, den es schon zum sechsten Mal gibt, ein guter und früher Start in die Saison. Aber auch das historisch interessierte Publikum kann bei Vorträgen Wissenswertes aus der Zeit lernen, etwa über Würzwein, die höfischen Gepflogenheiten, Schwertkämpfe oder Tänze. Laut Becker waren es an zwei Tagen bis zu 4500 Besucher. In so mancher PS-starken Kutsche sind die Gewandeten angereist, um mit einem Schritt ins Mittelalter zu gelangen. Und dieses hat in der Trierer Messeparkhalle auf rund 3000 Quadratmetern Platz.
Extra

"Für die Jahreszeit ist ein Markt in der Halle super. Wir lieben die Gewandungen und das Flair der Mittelaltermärkte. So können wir prima die Zeit bis zum 11. 11. überbrücken." Dorothee Langer (52, links) und Gabi Gasper (47) von der Tanzgruppe Saltamus Gaudio aus Altenahr. "Man ist auf so einem Markt in einer anderen Welt. Das Interesse fürs Mittelalter kam bei mir über Live-Rollenspiele." Tim-Pascal Ogniwek (29), Saarbrücken. Tatjana Fröhlich (21), Trier: "Das Leben war langsamer, nicht so von Technik bestimmt. Es ist faszinierend." "Das ist der schönste und beste Markt, auf dem wir waren. Wir kommen jedes Jahr her. Uns gefällt die Atmosphäre, man ist schnell mit den Leuten im Gespräch, und die Gewänder sind toll. Wir nehmen uns jedes Jahr vor, auch mit einem nach Hause zu gehen." Luca Rahr (30) und Kathrin Rahr (29) aus Trier. "Es ist eine schöne Erfahrung, hier kann man einen tollen Eindruck vom Mittelalter bekommen. Es ist fantastisch, wie die Menschen das darstellen." Jen Murrey (31), seit einem Monat in Spangdahlem, ursprünglich aus Ohio. cofi

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