Zwei Versionen einer Nacht

Vergewaltigung oder einvernehmlicher Sex? Was in der Nacht zum 16. April in der Wohnung einer 21-jährigen Triererin passiert ist, versucht das Trierer Landgericht zu klären.

Trier. Bislang scheint nur eins sicher im Vergewaltigungsprozess, der am Montag vor der dritten Kammer des Landgerichts begonnen hat: Der 23-jährige Mann, der in der Nacht zum 16. April in die Wohnung seiner Freundin platzte, war ordentlich geschockt, als er diese zusammen mit einem seiner Bekannten splitterfasernackt auf dem Bett vorfand. Doch was dieser Szene vorausgegangen war, dazu haben sein 32-jähriger Bekannter H. - angeklagt wegen Vergewaltigung - und die 21-jährige S. zwei völlig unterschiedliche Versionen parat: H., der seit dem 16. April in Untersuchungshaft sitzt, berichtet von einem gemeinsamen Besuch der Trierer Diskothek A1. "Schon dort habe ich gemerkt, dass S. mit mir ins Bett will", erzählt der ungelernte Koch, der in Mannheim lebt. In seiner ehemaligen Heimatstadt Trier sei er gewesen, um Freunde zu besuchen. Klägerin S. habe er aus seiner Zeit in Trier gut gekannt.

In der Disko sei man sich näher gekommen, berichtet der Türke. Gegen drei Uhr ging's schließlich mit dem Taxi zurück zur Wohnung der Klägerin. Dort sei die Initiative von S. ausgegangen. "Sie hat mich geküsst und mir gesagt, dass sie mich schon immer mochte." Man sei im Bett gelandet, doch kurz nach dem Geschlechtsverkehr habe plötzlich der Freund der 21-Jährigen in der Wohnungstür gestanden. "Mir hatte S. vorher erzählt, sie hätte sich von ihm getrennt", beteuert H.

Laut S. sei H. dagegen schon in der Disko zudringlich geworden. Dass sie ihn trotzdem mit in ihre Wohnung genommen habe, sei aus Gastfreundschaft geschehen, sagt die Iranerin. Wegen sehr starker Kopfschmerzen habe sie sich zu Hause sofort ins Bett gelegt. H. habe auf einem Stuhl danebengesessen. "Und von einer Minute auf die andere ist er aggressiv geworden." Aus heiterem Himmel habe er sie beschimpft, mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen, massiv mit einem Messer bedroht und ihr mit dem Tod gedroht. H. hätte ihre Hände gefesselt und sie zum Oral-Verkehr gezwungen.

Er habe ihr T-Shirt aufgeschnitten und sie geknebelt. Ob der Angeklagte ihr auch die Beine gefesselt hätte, will Richter Armin Hardt wissen, doch daran kann sich die Frau nicht mehr erinnern. Kurz bevor H. in sie eindringen wollte, sei ihr Freund nach Hause gekommen. "Ich bin aufgesprungen und habe geschrien ,er hat ein Messer' und habe meinen Freund nach draußen gedrängt, um ihn zu beschützen", berichtet die 21-Jährige. Ihre Handfesseln habe sie vorher heimlich lösen können. Plötzlich sei auch der Knebel aus ihrem Mund gewesen. Ob sie selbst diesen entfernt hatte oder ihr Freund, wisse sie allerdings nicht mehr.

Um die Aussage der Zeugin auf Glaubhaftigkeit zu überprüfen, hatte das Gericht im Vorfeld der Hauptverhandlung ein psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben. Die Zeugin hatte allerdings mehrere Briefe, Anrufe und Termine der Fachpsychologin ignoriert.

Das Gutachten soll nun während der Verhandlung angefertigt werden, die am Mittwoch fortgesetzt wird.

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