Machtwort sorgt für Frust und Freude

Koblenz/Strohn · Die Nachricht vom absehbaren Aus für die Deponie der Klasse 1 in Strohn sorgt für unterschiedliche Reaktionen. Im Dorf und bei Naturschützern herrscht überwiegend Freude, der Antragsteller ist sauer, und der Landrat macht sich Sorgen, wo künftig der Bauschutt entsorgt werden soll.

Koblenz/Strohn. Die Nachricht hat sich rumgesprochen wie ein Lauffeuer: Rund fünf Monate nach dem Erörterungstermin in Strohn, bei dem sich Experten die Pläne für eine Deponie der Klasse 1 (unter anderem Erdaushub, Bauschutt, Abfälle aus dem Straßenbau) in Strohn angesehen haben, hat die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz als zuständige Behörde eine richtungsweisende Aussage gemacht. Sie teilte mit, dass sie keinen Bedarf für eine weitere Deponie sieht: "Im Norden von Rheinland-Pfalz stehen ausreichende Deponiekapazitäten für belastete mineralische Abfälle zur Verfügung."
Nach Berechnungen der Behörde gibt es derzeit Platz für sechs Millionen Kubikmeter Bauschutt. Pro Jahr fielen aber nur 250 000 Kubikmeter im nördlichen Rheinland-Pfalz an. Somit wäre für die nächsten 24 Jahre die Entsorgung gesichert. Daher, und weil die Pläne bereits "zu heftigen Widerständen in der Bevölkerung geführt haben", wurde der Bedarf für weitere Deponien infrage gestellt. Nun sei es Sache der Landkreise, sich über eine Zusammenarbeit zu verständigen.
"Das ist eine gute Entscheidung für das Dorf und entspricht dem Wunsch von mindestens zwei Dritteln der Dorfbevölkerung", sagte Strohns Erster Beigeordneter Heinz Martin, der derzeit die Geschäfte der Gemeinde führt. Im Frühjahr hatten sich 63 Prozent der Strohner bei einer Bürgerbefragung gegen die Deponie ausgesprochen. Zuvor hatte es bereits großen Ärger zwischen den Befürwortern um Ex-Ortsbürgermeister Alois Pohlen und der Bürgerinitiative um Axel Römer gegeben.Hoffen auf Dorffrieden


Das Argument der Befürworter, die Gemeinde benötige die Einnahmen aus dem Betrieb einer DK1-Deponie, entkräftete Martin: "Die Gemeinde konnte bislang gut ohne Deponie leben und hat trotz reger Investitionstätigkeit stets noch Rücklagen gebildet. Also werden wir auch künftig gut ohne Deponie leben können." Er erhofft sich, dass nun wieder der Dorffriede einkehrt.
BI-Sprecher Axel Römer sagte: "Wir sind äußerst froh, dass die Genehmigungsbehörde jetzt das bestätigt, was wir schon vor einem Jahr gesagt haben: Es gibt keinen lokalen Bedarf für eine solche Deponie." Grund zum Feiern sei die Information aus Koblenz aber noch nicht: "Erst einmal warten wir den definitiven Entscheid ab."
Hans-Peter Felten vom Nabu Daun freut sich über die richtungsweisende Aussage der SGD. Er sagt: "Eine tolle Nachricht. Ich bin froh, dass die Grube nun nicht beziehungsweise nicht so rasch verfüllt wird." Damit bleibe erstens der geologische Aufschluss vorhanden, der Einblicke in die erdgeschichtliche Entwicklung der Eifel bietet. Zweitens diene das dem Artenschutz. So leben in der Lavagrube nachweislich Uhus und zahlreiche Insekten, die auf der Roten Liste stehen.
Jörg Scherer, Geschäftsführer der Ernst Scherer Baustoffe GmbH aus Kastellaun im Hunsrück, die in der von ihr genutzten Lavagrube in Strohn die DK1-Deponie betreiben will, ist sauer. Für ihn ist das Vorgehen der SGD Nord "in keiner Weise nachvollziehbar" - nicht zuletzt wegen des Aufwands und der hohen Kosten, die seine Firma in die Deponiepläne gesteckt hat. Er teilte mit: "Der Bedarf dieser Deponie war bei der jahrelangen Prüfung (…) Voraussetzung für die umfangreichen Investitionen. Der Bedarf wurde zuletzt beim Erörterungstermin von allen Fachbehörden und nicht zuletzt der SGD Nord bestätigt. Vier Monate später soll alles hinfällig sein."
Scherer verweist auf das Sitzungsprotokoll des Erörterungstermins vom April (das dem TV vorliegt). In dem berichtet der Verhandlungsführer der SGD Nord von einem Gespräch 2011 mit Vertretern der Landkreise des nördlichen Rheinland-Pfalz, des Landesamts für Geologie und Bergbau und des Landesbetriebs Mobilität. Scherer: "Der Bedarf an Deponieraum für mineralische Abfälle wurde damals ausdrücklich bestätigt."
Weiterhin zweifelt Scherer an den von der SGD angeführten Zahlen. Anstatt der genannten 250 000 Kubikmeter jährlichen Bauschutts für alle Nordkreise des Landes spricht er von einem deutlich höheren Aufkommen. Und belegt dies: In einem Schreiben vom Dezember 2013 spricht der Leiter des LBM Rheinland-Pfalz, Bernd Hölzgen, von "70 000 bis 100 000 Tonnen" Abfällen, die allein aus dem Straßenbau im Einzugsgebiet der Deponie Strohn jährlich anfielen. Schutt vom Abriss alter Häuser ist da noch nicht dabei. Zitat Hölzgen: "Aus ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten begrüßen wir die Errichtung der Deponie Strohn."Gespräche mit Nachbarkreisen


Bislang stets die Deponie befürwortet hatte auch Dauns Landrat Heinz-Peter Thiel (parteilos). Er reagierte nur kurz auf die Nachricht aus Koblenz: "Eine bedarfsorientierte Planung ist uns nicht möglich, da wir nicht wissen, wie viel Bauschutt und ähnliche Stoffe bei uns im Kreis anfallen." Nun müsse im Gespräch mit Nachbarkreisen geprüft werden, wie die Entsorgungssicherheit, zu der die Kreise verpflichtet sind, hergestellt werden könne. Derzeit wird im Kreis der Bauschutt auf der Deponie in Dreis-Brück entsorgt - bei der Firma Scherer.Meinung

Alle Fragen klären
Das Machtwort der SGD aus Koblenz, die keinen Bedarf für eine DK1-Deponie in Strohn sieht, ist noch keine endgültige Entscheidung. Aber sie ist richtungsweisend. Kaum denkbar, dass die Genehmigungsbehörde von ihrer Einschätzung nach jahrelanger Prüfung nochmal abrückt. Dennoch bleiben Fragen: Wie hat die SGD das jährliche Aufkommen von 250 000 Kubikmetern Bauschutt im nördlichen Rheinland-Pfalz ermittelt? Sind die maroden Straßen und Brücken berücksichtigt, bei denen viel belasteter Schutt anfallen wird? Ist der demographische Faktor einbezogen, wonach künftig immer mehr Häuser leerstehen und abgerissen werden (müssen). Droht ein Mülltourismus quer durchs Land? So groß die Freude in Strohn und Umgebung über das Nein aus Koblenz auch ist: Die noch offenen Fragen müssen vor einer endgültigen Entscheidung geklärt sein. Allen voran Antragsteller Scherer hat ein Recht darauf, schließlich hat er viel Zeit und Geld ins Vorhaben gesteckt. m.huebner@volksfreund.de

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