Streit um Schockfotos auf Zigarettenpackungen

Trier · Weltweit steigt der Tabakkonsum, hierzulande rauchen immer weniger Leute: Beide Trends wirken sich auf die hiesige Zigarettenindustrie aus. Ebenso wie die neuen Regeln der EU – die mit Schockfotos gegen das Rauchen vorgeht.

Die Deutschen rauchen immer weniger Zigaretten - gemessen an offiziellen Verkaufszahlen. Mit 82,4 Milliarden Zigaretten wurde im vorigen Jahr die niedrigste Menge an versteuerten Kippen seit 1990 verkauft. Bei jungen Leuten sind die Glimmstängel "out". Innerhalb von gut zehn Jahren ist die Zahl jugendlicher Raucher um mehr als die Hälfte zurückgegangen, berichtet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Nur noch jeder Achte unter 18 rauche.

Gesundheitspolitiker und Ärzte wie den Trierer Rauchgegner Professor Bernd Krönig freut dies. Sie sind auch für die Tabakrichtlinie, auf die sich der EU-Ministerrat vergangene Woche verständigte und die Ende dieses Jahres vom EU-Parlament beschlossen werden soll. Demnach sollen frühestens ab 2015 Schockfotos mit faulenden Zähnen und krebszerfressenen Raucherlungen auf der Zigarettenschachtel und das Verbot von Mentholzigaretten junge Menschen vom Rauchen abhalten.

"Auch wenn dies bei Rauchern wenig Erfolg hat, besteht die Chance, gerade die 12- bis 17-Jährigen vom Rauchen abzuhalten", sagt der Mediziner Krönig. Er verweist auf Australien, wo Abschreckbilder die gesamte Schachtel einnähmen und Einheitspackungen Pflicht seien.

Die Tabakindustrie, von der in der Region Trier Tausende Jobs abhängen, reagiert auf die geplanten EU-Regeln mit Unverständnis. Arbeitsplätze stünden auf der Kippe, Japan Tobacco International (JTI) spricht gar von einer "konkreten Bedrohung für die Produktionsstätte in Trier". Strengere Regeln führten nicht zu weniger Konsum, sondern zum Boom im illegalen Tabakhandel. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut schreibt illegalen Zigaretten einen Marktanteil von 20 Prozent zu - Tendenz steigend. Dabei seien Tabakprodukte vom Gesetz her "legale Produkte", sagt Hans-Josef Fischer, Trierer Geschäftsführer des Herstellers Heintz van Landewyck. Der Staat verdiene dabei gut mit. 14 Milliarden Euro Tabaksteuer hat der Fiskus 2012 kassiert - trotz Konsumrückgangs in Deutschland. Weltweit wachsen die Tabakumsätze: Laut Weltgesundheitsorganisation wächst die Zahl der Raucher in den kommenden zehn Jahren um eine halbe Milliarde.

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Pro & Kontra Schockfotos

Kontra Schockfotos: Aufklären statt verteufelnVon Dieter Lintz

Dass Rauchen die Gesundheit schädigt, weiß inzwischen jeder. Und dieses Wissen ist notwendig. Wer sich entscheidet zu rauchen, sollte wissen, worauf er sich einlässt. Genau so wie der, der Auto fährt, auf Berge steigt, Alkohol trinkt, Drachen fliegt oder Schokolade isst. Jede Lebens-Entscheidung birgt Risiken. Und es gehört zu den Aufgaben des Staates, darauf zu achten, dass solche Risiken nicht verschleiert werden. Das ist es aber auch. Wir sind keine Erziehungsdiktatur, die dem Einzelnen vorzuschreiben hat, wie er sich entscheidet. Deutliche Infos über Teer- und Nikotingehalt auf jeder Packung: selbstverständlich. Aber aufdringliche Ekelbilder, die unweigerlich jeden diskriminieren, der sich trotzdem für das Rauchen entscheidet: nein. Wo sollte das auch enden? Die Fettleber auf der Pommes-frites-Tüte? Die kaputte Herzklappe zum Schwenkbraten? Der zerplatzte Kopf eines Motorradfahrers auf dem Harley-Tank? Und nächstes Jahr wird aus der Krankenversicherung geschmissen, wer nicht jeden Morgen ums Haus joggt.

Ach so: Es ist ja alles nur wegen der Kinder, sagt man. Was für ein Trugschluss. Wer, statt solide aufzuklären, beim Verteufeln des Rauchens zu dick aufträgt, macht die Sache für die Pubertäts-Monster gerade wieder so richtig cool.

Dieter Lintz ist seit seiner Geburt passionierter Nichtraucher.

Pro Schockfotos: Abschrecken statt labernVon Rolf Seydewitz

Jedes Jahr sterben europaweit über 700.000 Menschen an den Folgen des Qualmens, weltweit sind es über fünf Millionen. Das entspricht 50 Städten in der Größe Triers, deren Einwohner jährlich durch Zigarettenrauch hinweggerafft werden. Je mehr also die Finger vom Glimmstängel lassen, umso besser ist es. Dass Rauchen ungesund ist, weiß jedes Kind. Man hat es schon tausend Mal gehört - von den Eltern, vom Arzt oder von wem auch immer. Trotzdem fängt in Deutschland mehr als jeder vierte Teenager an zu qualmen. Garantiert würden etliche davon abgehalten, wenn ihnen die Folgen des Zigarettenkonsums vor Augen gehalten würden: drastische Fotos von Krankheiten, die speziell Rauchern drohen. Zugegeben, die Bilder sind teilweise schockierend und ekelerregend. Aber genau das sollen sie ja auch sein, damit (potenzielle) Raucher abgeschreckt werden oder zumindest ins Nachdenken geraten. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte und dürfte in diesem Fall allemal mehr bewirken als der erhobene Zeigefinger.

Dass die Industrie lamentiert und den Teufel an die Wand malt, sollte die EU-Politiker nicht schrecken. Das hat die Tabak-Lobby auch im Vorfeld des Werbeverbots oder der Pflicht zum Aufdruck von Warnhinweisen getan.
Geraucht wird trotzdem immer noch.

Rolf Seydewitz ist seit eineinhalb Jahren Nichtraucher.

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