"Wir brauchen intensivere Kontrollen"

Wittlich · Rund 4700 Höfe können derzeit ihre Eier, ihr Puten- und Schweinefleisch nicht ausliefern. Auch in Rheinland-Pfalz ist der Dioxin-Skandal mittlerweile angekommen. Über die Folgen für die Landwirte hat Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, gesprochen.

Die Wut der vom Dioxin-Skandal betroffenen Landwirte sei "riesengroß", sagte Helmut Born in Wittlich bei der Dreikönigstagung des Bauern- und Winzerverbands Bernkastel-Wittlich. Weil der Fehler bei einer einzelnen Firma am Anfang des Produktionsprozesses gelegen habe, dürfe man die Bauern jetzt "nicht hängenlassen".

Über Konsequenzen und Lehren aus dem aktuellen Lebensmittelskandal sprach Born mit TV-Redaktionsmitglied Christa Weber.

Wie hoch schätzen Sie den Schaden für die vom Dioxin-Skandal betroffenen Betriebe ein?

Helmut Born: Eine seriöse Aussage ist im Augenblick nicht möglich. Es dauert drei bis vier Tage, die Proben im Labor zu analysieren. Bliebe es bei der kurzen Zeit, wäre der Schaden begrenzt. Sollten am Ende aber 400 Betriebe übrig bleiben, die ihre Eier vernichten und Legehennen schlachten müssten, läge der Schaden pro Betrieb und Woche zwischen 30 000 und 70 000 Euro. Mal 500 genommen wären wir bei einem zweistelligen Millionenbetrag. Wichtig ist aber: Wir haben die Quelle des Dioxins gefunden und gestoppt. Über die Rückverfolgbarkeit wurden die betroffenen Betriebe schnell ermittelt. Übers Wochenende sollte es gelingen, die Betriebe bis auf einen Rest von etwa 400 von der Sperre zu befreien.

Der Bauernverband fordert Entschädigungen für die Landwirte. Wer soll für den Schaden aufkommen?

Born: Unsere Aussage dazu ist klar: Der Landwirt hat Futtermittel gekauft und durch dieses Futtermittel ist der Schaden ausgelöst worden. Die Mischfutterwerke sind unser Ansprechpartner. Dort werden wir den Schaden geltend machen und wir gehen davon aus, dass er auch ausgeglichen wird.

Was muss passieren, um solche Lebensmittelskandale künftig zu vermeiden?

Born: Wir brauchen intensivere Kontrollen bei den Vorlieferanten der Futtermittelhersteller. Gerade bei Unternehmen, die mit Fett arbeiten. Außerdem muss die Produktion von Biodiesel für technische Zwecke sauber getrennt werden von der Produktion für die Nahrungsmittelindustrie. Es darf keine gleichzeitige Produktion für beide Bereiche geben. Dazu muss das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz geändert werden. Der Bundestag hat dazu bereits eine erste Ausschusssitzung für die kommende Woche angesetzt.

Hat die Landwirtschaft einen Grad der Industrialisierung erreicht, der nicht mehr tragbar ist?

Born: Das kann man so nicht sagen. Vor einigen Jahren hatten wir noch eine Dixionbelastung, die dreimal höher war als heute. Eine Quelle war beispielsweise Altöl, dessen Entsorgung jetzt gut geregelt ist. Es ist in diesem Bereich eine Menge passiert, wir sprechen nicht über ein wachsendes Problem. Umso ärgerlicher ist der Skandal. Aber die Landwirtschaft braucht weiter hochintelligente Verfahren, wir können nicht wieder den Schritt zurück gehen.

Wir müssen jedoch die heutige Produktion wirklich sicher machen. Und dafür ist es wichtig, die Löcher schon ganz vorn im Prozess zu stopfen.

Extra

In Rheinland-Pfalz sind weitere 666 Eier aufgetaucht, die aus einem Dioxin-belasteten Betrieb in Nordrhein-Westfalen stammen. Betroffen sind zwei Händler in Mainz und im Donnersbergkreis, wie das Verbraucherschutzministerium am Freitag mitteilte. Im Mainzer Fall wurden 560 Eier beschlagnahmt, bei dem Betrieb im Donnersbergkreis waren es 106. Hinweise, dass auch mit Dioxin belastetes Futtermittel ins Land gelangt sein könnte, gibt es nach Angaben des Wirtschaftsministeriums in Mainz bislang nicht. Am Donnerstag waren bereits 540 Eier bei einem rheinland-pfälzischen Händler beschlagnahmt worden. Die beiden nun betroffenen Händler hatten die Eier von sich aus bei ihren Abnehmern zurückgerufen, nachdem eine mögliche Belastung bekanntgeworden war. Die Stadtverwaltung Mainz bewertete das Vorgehen des ortsansässigen Händlers als "vorbildlich". Betroffen waren braune Eier mit der Kennnummer 3-DE-0514411 mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 20. Januar. Nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums sind im Land Kontrolleure im Einzelhandel, in Verarbeitungsbetrieben und im Eierhandel unterwegs. Weitere Funde gab es nicht.(dpa)

Zur Person

Helmut Born (62) ist seit 1991 Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Nach dem Studium und der Promotion am Institut für Agrarpolitik, Marktforschung und Wirtschaftssoziologie der Universität Bonn war er zunächst beim DBV persönlicher Referent von Präsident Constantin Freiherr Heereman, später Referent für Grundsatzfragen und von 1982 bis 1991 stellvertretender Generalsekretär.

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