Konträre Gefühle: Turn-WM bleibt in Tokio

San José (dpa) · Fabian Hambüchen ist hocherfreut, Marcel Nguyen „nicht glücklich“: Mit konträren Gefühlen haben die deutschen Turn-Stars die Entscheidung des Weltverbandes FIG über die Beibehaltung des Standorts Tokio für die Weltmeisterschaften vom 8. bis 16. Oktober aufgenommen.

Trotz heftiger Proteste von Athleten und Trainern nach der Reaktor-Katastrophe von Fukushima hatte das Exekutivkomitee der FIG bei seiner Tagung im kalifornischen San José einhellig entschieden, an Tokio als WM-Ausrichter nicht zu rütteln.

„Ich freue mich, vor allem für die Japaner. Ich habe mich erst vorige Woche bei meinem Aufenthalt selbst überzeugt, dass in Tokio Normalität eingezogen ist. Diese WM wird ein Riesending“, meinte Ex-Reck-Weltmeister Hambüchen, der nach seiner Operation darum kämpft, in Tokio dabei sein zu können. Mit eher gemischten Gefühlen nahm Barren-Europameister Marcel Nguyen die Nachricht auf. „Ist das wirklich war?“, fragte er. „Ich bin nicht ganz glücklich mit der Entscheidung. Aber es bleibt uns ja nichts übrig, als dort zu starten: Es geht um die Olympia-Tickets.“

Claudia Schunk, die Trainerin von Vize-Europameisterin Elisabeth Seitz, hegt noch Zweifel. „Für mich ist das alles noch nicht in trockenen Tüchern“, sagte die Mannheimerin. Der Deutsche Turner-Bund (DTB) hatte vor der FIG-Entscheidung mit einem Info-Brief Trainer auf das Szenario vorbereitet. „Dieser Brief gibt die Meinung von Sportdirektor Wolfgang Willam wieder, aber nicht die Meinung der Athleten und ihrer Eltern“, formulierte Claudia Schunk.

Mehr oder weniger wird nun die Verantwortung für die Reise nach Tokio den Sportlern und ihren Eltern überlassen. Das sieht auch Cheftrainer Andreas Hirsch ähnlich. „Jedem muss es freigestellt sein, selbst zu entscheiden. Es bleibt ein Restrisiko. Keiner weiß, was dort morgen oder übermorgen passiert“, sagte der Berliner.

„Es gibt derzeit keine öffentliche Stelle von den Vereinten Nationen bis zur deutschen Regierung, die von Reisen abrät. So ist die Faktenlage“, bekräftigte indes DTB-Präsident Rainer Brechtken. Es könne nur nach Fakten und nicht nach Gefühlen entschieden werden. „Auch ich selbst muss genau abwägen. Wir werden sorgfältig alles im Auge behalten und neu entscheiden, falls neue Gefahren auftauchen.“

Für Hambüchen bestünden diese nur in einem neuen Erdbeben. „Aber diesem Risiko setzt man sich immer aus, wenn man nach Japan reist.“ Matthias Fahrig, Doppel-Europameister von 2010, freut sich, dass nun Gewissheit herrscht. Gefahren von verstrahlten Lebensmitteln schließt er aus. „Die würden sich ja strafbar machen, wenn sie die Turn-Welt einladen und dann verstrahltes Essen anbieten. Was in Fukushima passiert ist, ist große Scheiße. Aber ich denke, in Tokio haben sie die Lage im Griff.“ Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht, meinte Karsten Oelsch, Trainer von Mehrkampf-Europameister Philipp Boy. „Daher bleibt ein gewisses Bauchgrummeln.“

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