Die Zuschauer als Künstler im Verdrängen

Trier/Köln · Die Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute" hat die Diskussion um unerlaubte Leistungssteigerungen wieder angeheizt. Wie steht die Bevölkerung zum Thema? Studien liefern bemerkenswerte Ergebnisse, nicht nur zu Doping im Freizeitsport.

 Christoph Breuer. Foto: privat

Christoph Breuer. Foto: privat

Trier/Köln. Sprinter Ben Johnson, Skilangläufer Johann Mühl egg, Radprofi Lance Armstrong: Die prominenten Dopingfälle bleiben vielen Sportfans im Gedächtnis. Wegen ihrer Dreistigkeit werden exponierte Fälle besonders gegeißelt.
Der Kölner Sportwissenschaftler Professor Christoph Breuer hat gemeinsam mit Kirstin Hallmann Anfang dieses Jahres eine Studie vorgelegt, in der ethische Fragen des Spitzensports sowie dessen Wahrnehmung bei den Sportkonsumenten in Deutschland untersucht werden.
Demnach glaubt die Mehrheit der Bevölkerung nicht an einen Spitzensport ohne Doping. "In unserer Untersuchung gehen die Befragten davon aus, dass 30 Prozent der deutschen Athleten regelmäßig zu Dopingmitteln greifen. Nach ausländischen Sportlern wurde nicht gefragt, hier wäre die Zahl wohl noch höher ausgefallen", sagt Breuer. Überraschend ist: Auch wenn Doping als Bestandteil des Spitzensports gesehen wird, verliert er für die Fans nicht an Attraktivität. "Die Menschen schaffen es durch Verdrängung, sich weiterhin dafür zu begeistern", sagt Breuer.
Doping ist aus Sicht der Zuschauer in sehr offensichtlichen Fällen verwerflich - etwa wenn es um Gen- oder Blutdoping geht. In anderen Fällen verschwimmen die Grenzen. "Auf den Verbotslisten stehen viele Mittel, die jeder in seiner Hausapotheke hat. Das ist schwer zu begreifen, zumal wir in einer Gesellschaft leben, in der unsere Aufmerksamkeit über die Werbung immer wieder auf leistungssteigernde Produkte gelenkt wird."
Ist es da ein Wunder, dass auch viele Freizeitsportler sorglos mit bestimmten Präparaten umgehen? In einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse aus dem Vorjahr finden es 63 Prozent der unter 25-Jährigen in Ordnung, sich beim Training und im Wettkampf mit Schmerzmitteln oder Erkältungspräparaten zu dopen. Für eine Dopingfreigabe sprechen sich die Deutschen indes nicht aus. Breuer: "Das Dopingverbot hat eine wichtige Funktion. Es erlaubt den Fans zu glauben, dass Spitzenleistungen auch ohne verbotene Mittel möglich sind. Würde das Verbot kippen, fiele dieser Glaube ganz weg. Das wiederum würde die Attraktivität des Spitzensports schmälern."

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