Turnerin Seitz trotzt Schlag „mit Holzstange“

Tokio (dpa) · Elisabeth Seitz presste immer wieder den Eisbeutel an die riesige, blutunterlaufene Beule auf der Stirn. Nadine Jarosch konnte ihr Glück kaum fassen. Unterschiedlicher hätte die Gemütslage der deutschen Turnerinnen nach dem WM-Mehrkampffinale in Tokio kaum sein können.

Dabei hatten beide überragend gekämpft und mit den Plätzen zehn und elf ihren Aufstieg in den erweiterten Kreis der absoluten Weltspitze eindrucksvoll bestätigt. Nur ein böses Missgeschick am Stufenbarren brachte Eli Seitz um eine noch bessere Platzierung.

„Das war als wenn einer mit einer Holzstange auf meinen Kopf drischt“, schilderte sie die Situation nach dem komplizierten Def-Salto, den sie zu nahe an den Holmen turnte und den Aufprall nicht verhindern konnte. Dennoch turnte sie die Übung exakt zu Ende und kam schließlich noch auf fast 14 Punkte. „Ich habe nie ans Aufgeben gedacht“, sagte die 17-jährige Mannheimerin. „Sie ist einfach eine Kämpfernatur“, lobte ihre Trainerin Claudia Schunk.

Seitz brummte der Schädel. „Ich hatte einen Riesendruck auf dem Kopf, mir war auch am Balken noch ganz schwindlig“, erklärte die nur 1,61 Meter große deutsche Meisterin und lieferte damit gleich die Begründung nach, warum sie auch am zweiten Gerät nicht auf die Punkte aus dem Vorkampf kam. Danach lief es wieder besser, und die Mannheimerin schaffte trotz Beule und Kopfweh noch den Sprung von Rang 19 auf Platz elf (55,823 Punkte).

Zehnte wurde Nadine Jarosch, die mit 56,033 Zählern erstmals die „Schallmauer“ von 56 Punkten durchbrach. „Wow. Das war echt geil. Ich habe jetzt gar keine Lust, über kleine Fehlerchen zu reden. Dreimal 14 Punkte, das hatte ich alles noch nie“, meinte die 16-Jährige aus Detmold ausgelassen in der Mixed-Zone. Nie habe sie darauf spekuliert, in die Top 10 zu kommen oder vor Seitz zu liegen. „Wir sind zwar Konkurrentinnen. Aber wir sind auch gute Freunde und feuern uns gegenseitig an“, meinte sie völlig aufgelöst - damit schnitten sogar beide besser ab als Elisabeth Seitz, die im Vorjahr bei der WM in Rotterdam Zwölfte geworden war.

Mit einer Shopping-Tour in Tokio wollen sich die deutschen Girls nun am Freitag für ihre tolle WM belohnen. „Beide waren absolute Spitzenklasse. Wir rangieren jetzt auch im Einzel gleich hinter den US-Girls, den Chinesinnen und Russinnen - davon haben wir immer geträumt“, analysierte Cheftrainerin Ulla Koch. Ihre Schützlinge zählten zu den Pfeilern der Riege, die sich in Tokio die Olympia-Tickets gesichert hatte.

Im Kampf um die Krone spielte sich zwischen zwei 16-Jährigen indes ein kleines sportliches Drama ab. Die klar führende Russin Victoria Komowa zeigte am letzten Gerät Nerven und verlor noch mit 33/1000 Punkten um einen Wimpernschlag den Titel an Jordyn Wieber. Die US-Meisterin holte damit zum siebten Mal Mehrkampfgold in die Vereinigten Staaten.

Während sie nach 59,382 Punkten ausgelassen im Kreise ihres Teams feierte, musste die vorjährige Siegerin der olympischen Jugendspiele von ihrer Trainerin getröstet werden. „Ich bin schon sehr enttäuscht. Ich hätte wohl beim Sprung mehr riskieren müssen“, suchte die spindeldürre Russin aber die Schuld bei sich und nicht bei den Kampfrichtern, die für ihre Note mit Pfiffen von den 3000 Zuschauern im Metropolitan Gymnasium bedacht worden waren.

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