TV-Spezial: Wir sind Zukunft

Der Blick in zukünftige soziale oder technische Errungenschaften fasziniert Menschen seit jeher und ist für eine solide Lebens- oder Unternehmensplanung notwendig. Aller Aufklärung zum Trotz erfreuen sich Horoskope und andere esoterische Weisen, in die Zukunft zu schauen, großer Beliebtheit. Doch wie entstehen Neuerungen tatsächlich und (wie) kann man sie im Voraus erahnen?

Der Blick in zukünftige soziale oder technische Errungenschaften fasziniert Menschen seit jeher und ist für eine solide Lebens- oder Unternehmensplanung notwendig. Aller Aufklärung zum Trotz erfreuen sich Horoskope und andere esoterische Weisen, in die Zukunft zu schauen, großer Beliebtheit. Doch wie entstehen Neuerungen tatsächlich und (wie) kann man sie im Voraus erahnen?Eines ist sicher: Nichts bleibt, wie es ist. Die mal bange, mal hoffnungsvolle Frage nach dem, was auf uns zu kommt, ist eine der wenigen Konstanten, auf die Verlass ist. Erfolgreich in der privaten oder betrieblichen Lebensstrategie ist der, der sich schnell und flexibel auf Neues einstellen kann - wobei die Fähigkeit, die Neuerungen früher zu erkennen als andere oder gar selbst mitzugestalten, wesentlich darüber entscheidet, ob man das "Spiel" gewinnt oder verliert. Der österreichische Nationalökonom Joseph Schumpeter (1883 bis 1950), dessen Gedankengänge in den letzten Jahren eine Renaissance erlebten, begründete in seiner "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" innovative Leistungen mit dem Streben nach ökonomischem Eigennutz, Erfindungen und Nachahmungen gelten bei ihm als Motoren des Wettbewerbs. Schöpfertum und Innovationskraft machen laut Schumpeter einen Unternehmer aus und unterscheiden ihn vom bloßen Kapitalisten: Erneuerer erkennen, was andere nicht erkennen wollen, und sie wenden es an, auch wenn es dem bislang Anerkannten und Bekannten nicht entspricht. Beharrlichkeit gehöre dazu. Wie der US-amerikanische Evolutionsbiologe Jared Diamond mit seiner Pulitzer-Preis-gekrönten Studie "Arm und reich" oder im derzeit heftig diskutierten Werk "Kollaps" darlegt, bestimmen auch ein neugieriger Blick über den Tellerrand der eigenen Kultur, pragmatische Praxisorientierung und das Selbstbewusstsein, Bestehendes verbessern zu können, den Weg in die Zukunftstauglichkeit einer Gesellschaft.

Doch wie sieht konkret das Leben etwa in Deutschland in einigen Jahren aus? "Viele Szenarien machen den Fehler, lediglich die aus der Vergangenheit resultierenden Denkmuster über die Gegenwart hinaus zu verlängern", kritisiert der promovierte Volkswirt, Soziologe und Unternehmensberater Ekkehard Nau aus Immerath bei Daun an gängigen wissenschaftlichen Prognosen. "Es gibt aus bestimmten bekannten Faktoren hochgerechnete Kurvenverläufe, doch die Frage ist: Haben wir es mit bloßen Konstruktionen von Daten zu tun oder mit wirklich kommenden Entwicklungen?" Die natürlichen Zyklen könnten aus Erfahrung stimmige Zukunftsaussagen erlauben, doch solche immer wiederkehrenden Geschehnisse seien die Voraussetzungen für halbwegs zuverlässige Schlussfolgerungen aus dem Jetzt in die Zukunft. Ein in langfristigen Zügen regelhaftes Auf und Ab im Wirtschaftsleben - innovative Technologien bringen den Wohlstand mehrende Schübe hervor, so die Dampfmaschine oder der Computer, bis ihr Potenzial ausgereizt ist - sei in gewisser Hinsicht plausibel. "Aber nicht immer haben wir es mit zyklischen Mustern zu tun, auf deren Bestand wir uns verlassen können."

Die Vorstellung von linearem Wachstum anstelle von Kreisläufen sei jedoch ebenfalls problematisch und oft genug illusionär: "Wenn ein System wächst, wachsen auch die Widerstände mit, zum Beispiel Umwelt- oder Energieprobleme. Wachstum als einziger Wertmaßstab für die Zukunft ist unsinnig, denn nicht die quantitativen Komponenten allein zählen. Wer qualitativ besser werden will, muss die eigenen Komfortzonen verlassen und Risiken eingehen. Es gilt: Wer mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht, kommt nicht voran", ist Nau überzeugt. Eine gesicherte Datenlage - etwa beim Thema Demografie - sorge zwar für eine gewisse Berechenbarkeit, nicht jedoch für die humane und lebenswerte Ausgestaltung dieser berechneten Zukunft.

Die so genannten Trendscouts, die immer häufiger von Konzernen eingesetzt werden, um kurzfristig neue Moden vorauszusehen, "reiten nur knapp vor der Welle her", so Nau, "aber sie kreieren nichts". Dafür müsse man viel tiefer "eintauchen" in den Markt, mit allen Sinnen wahrnehmen und emotional offen sein. Die eigentlichen Zukunftsantworten, die mehr umfassen als den nächsten Quartalsabschluss für die Bilanz, lägen jenseits schnelllebiger Einzelphänomene. "Da wird es angesichts des vermehrten Einsatzes von venture capital zum Beispiel darum gehen, neue Dimensionen von ‚deins und meins' zu entwickeln. Auch hat eine Gesellschaft, die überwiegend aus älteren Menschen besteht, ganz andere Anforderungen an das Thema Mobilität als heute, das ist mit der Frage Geländewagen oder Kleinstflitzer nicht zu klären." Es gibt also viel zu tun - lassen wir uns darauf ein!

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