Was ist, wenn Mama krank ist?

SPEICHER. Wenn Erkrankung der Mutter eine Familie in die Versorgungskrise stürzt, kann Familienpflege einspringen. Der Caritasverband Westeifel bietet diese Hilfe, dazu seit neuestem ein Haushalts-Organisations-Training für überforderte Familien an. Doch die immer gefragteren Angebote in Anspruch zu nehmen, ist schwierig, auch die Mittel sind knapp.

"Klassische Familienpflege setzt dann ein, wenn die kinderbetreuende Person aus Krankheitsgründen ausfällt", erklärt Gabriele Piccolo, Einsatzleiterin des Fachdienstes Familienpflege des Caritas-Verbands Westeifel in der Sozialstation Speicher. Doch wer das für stationäre Behandlung gesetzlich verankerte Recht begleitend zu ambulanten oder teilstationären Maßnahmen in Anspruch nehmen wolle, scheitere oft an den Satzungsvorgaben der Krankenkassen. Besonders schlimm sei das bei chronischen oder lebensbedrohlichen Erkrankungen, ergänzt Marita Laziz, die nach 32 Berufsjahren als Familienpflegerin als Spezialistin für "komplizierte Fälle" wie Krebserkrankungen, Psychosen und Depressionen gilt. Immer mehr junge Eltern überfordert

"Man müsste manchmal aufschreien", sagt sie, "wenn man einer Mutter, die an Krebs erkrankt ist, oder einer, die jahrelang wegen einer psychischen Krankheit behandelt wird, sagen muss: Es geht nicht mehr, Ihr Kontingent ist erschöpft." Sterbe eine Mutter und damit die Anspruchsberechtigte gar, sei die Familie ohne jede Unterstützung. Gerade Krebserkrankungen jüngerer Frauen nähmen aber stark zu. Um unter anderem in solch gravierenden Fällen weiter helfen zu können, wurde der Förderkreis Familienpflege gegründet, der den Fachdienst des Caritasverbands Westeifel mit Spenden unterstützt. Spenden, die auch bitter nötig sind, weil seit Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes keine öffentlichen Zuschüsse und Landesfördermittel für Fachpflegerinnen in den Sozialstationen mehr gezahlt werden. Die Familienpflege soll sich aus dem neuen Gesetz finanzieren, das diese Leistung allerdings nicht vorsieht. "Und die von den Krankenkassen gezahlten Vergütungen reichen nicht, um kostendeckend mit Fachkräften zu arbeiten", sagt Gabriele Piccolo. In Trier wurde deshalb der eigene Fachdienst Familienpflege im Jahr 2000 eingestellt und - auf Haushaltshilfe beschränkt - den Sozialstationen angegliedert. Auch die Station in Speicher stand kurz vor dem Aus. "Es gab Zeiten, da haben wir jeden zweiten Einsatz absagen müssen", berichtet Piccolo. Nach einer großen Öffentlichkeitskampagne und einer Einladung zum Katholikenrat fließen dorthin allerdings wieder Bistumsmittel. Mit dieser Unterstützung können heute 19 geringfügig Beschäftigte (ausgebildet und mit Familienerfahrung), darunter vier Fachkräfte, den gesamten Kreis Bitburg-Prüm und zusätzlich den Kreis Daun abdecken. Ob Risikoschwangerschaft, Operation oder Beinbruch, wo Not an der Familie ist, sind Helferinnen wie Marita Laziz zur Stelle und leisten mehr als nur Haushaltsdienste: "Man muss abschätzen, was in dieser Situation wichtig ist, Ängste der Kinder auffangen, zuhören können, helfen, damit sie durch die familiäre Krise nicht in der Schule abrutschen." Familienpflege sei so bunt wie das Leben, sagt Marita Laziz, aber dabei würden auch neue Problemfelder sichtbar. "Auch hier im ländlichen Bereich fehlt immer häufiger das soziale Hilfs-Geflecht. Omas fallen aufgrund eigener Berufstätigkeit weg. Väter trauen sich aus Angst um den Job nicht mehr, unbezahlten Urlaub zu nehmen, um die Lücke zu füllen." Neu auch die Entwicklung, dass sich immer mehr junge Familien mit Haushaltsführung überfordert fühlten. "Sie sind hilflos, wenn es ums Kochen, Säuglingspflege oder grundsätzliche Organisation geht". Dem will "Hot" entgegenwirken - mit einem Haushaltsorganisations-Training, das vom Caritasverband Freiburg entwickelt wurde, und das seit Anfang des Jahres auch in der Westeifel praktiziert wird. Jugendamt, Familienpflege und Familie schließen einen Vertrag, vereinbaren Ziele und Laufzeit. Eine Fachkraft begleitet die Familie dann über Monate und erarbeitet zusammen mit ihr ein System. "Wir haben jetzt schon gesehen, dass besonders die Kinder davon profitieren, wenn ihr Leben Rhythmus und Struktur bekommt und ihre Verhältnisse geordnet sind", sagt Marita Laziz, "das wirkt sich auch auf schulische Leistungen aus." Besonders vor dem Hintergrund von Verwahrlosungsfällen wie dem von Kevin aus Bremen bekommt "Hot" eine große Bedeutung: "Damit kann man vorbeugen", meint die Familienpflegerin, der Betroffene sagten: "Allein hätten wir es nicht geschafft!" Bei der zeitintensiven Betreuung bleibe außerdem kein Alarmsignal verborgen. Doch ein neues und zugleich altes Problem gibt es: "Da braucht man einen Kostenträger. Im Moment läuft das übers Jugendamt", sagt Gabriele Piccolo. "Dabei ist Familie unserer Zukunft. So wie Familien sind, ist unser Land. Das müsste dem Staat was wert sein", meint Marita Laziz. Ein Staat hat überraschend Interesse am Fachdienst Familienpflege signalisiert: Südkorea. Gabriele Piccolo ist nun einer Einladung nach Seoul gefolgt, um dort Erfahrungen weiterzugeben. SInformationen über die Familienpflege in der Westeifel, das "Hot"-Programm und den Förderkreis Familienpflege bei Gabriele Piccolo, Sozialstation Speicher, Tel.: 06562-2071. Infos über Familienpflege im Raum Trier bei den Sozialstationen: Trier, Tel.: 0651-45888 und 9941015, Konz, Tel.: 06501-943060 und 943070, Schweich, Tel.: 06502-93570 und 935714, Welschbillig, Tel.: 06506-99047 und 99049.

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