Weinbau Reben wie Herzen und ein steinreicher Boden

Trier/Bernkastel-Kues · Der Winter hat sich verabschiedet, der Frühling — für die meisten die schönste Jahreszeit — steht vor der Tür. Zeit, wieder die Natur und die langsam ergrünende Landschaft zu entdecken. Zeit, um durch die Weinberge zu wandern und die schönen Aussichten zu genießen.

 In den nicht flurbereinigten Steillagen sieht man noch oft die Einzelpfahlerziehung. Die Reben werden herzförmig nach unten gebogen.

In den nicht flurbereinigten Steillagen sieht man noch oft die Einzelpfahlerziehung. Die Reben werden herzförmig nach unten gebogen.

Foto: TV/Winfried Simon

Wer etwas genauer in die Rebanlagen schaut, sieht nicht nur Pfähle und Reben, nicht nur Wege und Pfade. Vieles ist dem Spaziergänger bekannt, aber bei manchen Besonderheiten fragt er sich: Was ist das denn? Und warum schaut das nun genau so aus?

Wir wollen an dieser Stelle versuchen, die ein oder andere Frage zu beantworten.

Warum gibt es so viele steile Weinbergslagen, die Arbeit in der Ebene wäre doch viel leichter und billiger ?

Schon die Römer betrieben an der Mosel Weinbau, und das bervorzugt an den nach Süden, Südwesten oder Südosten geneigten Steilhängen. Dort wächst der beste Wein. An diesen steilen Hängen ist die Sonnenbestrahlung wesentlich intensiver, am stärksten bei einem genau nach Süden ausgerichteten Steilhang. Hanglagen sind auch besser vor Frost geschützt, weil die Kaltluft in tiefere Bereiche abfließt. Die Mosel gehört zu den nördlichsten Weinbaugebieten, deshalb ist es wichtig, der Sonne liebenden Weinrebe die besten Voraussetzungen zu bieten. In heißen und viel sonnigeren Weinbauländern wie Italien oder Spanien scheint die Sonne ohnehin intensiver, dort wachsen die Reben zumeist in der Ebene.

Außerdem: Der Boden der Schiefersteilhänge ist karger. Dadurch ist die Rebe gezwungen, in die Tiefe zu wurzeln, wo sie eben auch die wichtigen Mineralstoffe für ihr Wachstum findet. Das gibt dem Moselriesling seinen unvergleichlichen „spritzigen und mineralischen“ Geschmack.

In den flachen Lagen scheint die Sonnen nicht so intensiv, die Trauben lagern weniger Fruchtzucker ein, die Mostgewichte sind geringer, die Erträge wegen des schwereren Bodens in der Regel höher.

Wie intensiv eine Weinbergslage von der Sonne beschienen wird, kann man gut im Winter erkennen. Dort, wo der Schnee zuerst schmilzt, sind in der Regel die besten Lagen.

Wieso fühlen sich die Reben auf dem kargen Steinboden so wohl?

Weinreben brauchen viel Sonne und viel Wärme. An den Boden stellt die ausdauernde Kletterpflanze nur wenig Ansprüche. Sie kommt auch mit relativ wenig Wasser aus. Deshalb gedeiht sie auch auf den kargen, leichten und humusarmen Schieferböden so gut.

 Vor allem an der Mittelmosel und an der Terrassaenmosel liegen die steilen Weinbergsflächen auf devonischem Schiefer. Er kommt in verschiedenen Farben vor: blau, grau, braun und rötlich. Der Schiefer ist oft so feinblättrig, dass man ihn mit der Hand brechen kann. Das 400 Millionen Jahre alte Gestein verwittert leicht. Seine Bestandteile bereichern den Boden und prägen so die Rieslingweine, die hier so mineralisch ausfallen wie nirgends sonst. Dass Schiefer Wärme speichert, erweist sich in kühlen Herbstnächten als beträchtlicher Vorteil.

Wieso liegen so viele Weinberge brach?

Es ist nicht zu verkennen: Wer durch die Weinberge wandert, sieht häufig große und kleine Flächen, die nicht mehr bewirtschaftet werden. Die Brachflächen haben sich in den vergangenen drei Jahrzehnten stark ausgebreitet. Und das bedauerlicherweise auch in den sehr guten Steillagen. Dort, wo einst edle Rieslingtrauben reiften, wachsen jetzt Brombeerhecken und Büsche. Die Rebfläche im Weinanbaugebiet Mosel ist dramatisch zurückgegangen. 1989 wurden noch 12500 Hektar bewirtschaftet, aktuell sind es etwa 8700.

Warum werden manche Reben zu Herzen geformt?

Die Reben werden „erzogen“. Das heißt, die Fruchruten, aus deren Knospen ab Anfang Mai die neuen Triebe wachsen, müssen nach dem Rebschnitt im Winter in Form gebracht werden.

An der Mosel spielt die Pfahlerziehung noch eine Rolle. Auf dem Stamm werden zwei Fruchtruten angeschnitten, die dann nach unten gebogen und mit Weiden oder Bändern befestigt werden. Das macht man, damit die neuen Triebe und Trauben viel Sonne abbekommen. Allerdings ist diese Erziehungsart sehr arbeitsintensiv und wird daher immer seltener angewendet.

Dort wo Maschinen eingesetzt werden können, in den flachen Lagen sowieso und inzwischen auch in vielen steilen Lagen mit Spezialraupen, dominiert die sogenannte Drahtrahmenerziehung. Zwischen einer Reihe von Pfählen werden Drähte gespannt, an denen die Fruchtruten zumeist in einem Halbbogen festgebunden werden. Die neuen Triebe ranken sich an den Heftdrähen fest. Die Drahtrahmenerziehung ermöglicht den Einsatz des Vollernters, der auch an der Mosel nicht mehr wegzudenken ist. Es gibt noch weitere Rebenerziehungsarten, die man aber an der Mosel weniger häufig antrifft. Bei der Vertiko-Kordonerziehung wird der Stamm am Pfahl nach oben gezogen und befestigt, der Winzer schneidet kurze Zapfen etagenmäßig verteilt an. Hauptvorteil ist die Arbeitszeiteinsparung gegenüber der Pfahlerziehung. Die Kordonerziehung setzt ein großes Fachwissen voraus.

Was hängen da für braune Plastikampullen an den Reben?

Die kleinen braunen Kunststofffläschchen dienen der Schädlingsbekämpfung. Sie sind mit einem Sexuallockstoff (Pheromon) gefüllt, auf den der Traubenwickler, ein gefürchteter Rebschädling, reagiert. Das Prinzip: Damit die weibliche Traubenwickler-Motte von ihrem Partner gefunden wird, strömt sie einen Duftstoff (Pheromon) aus. Durch das künstlich hergestellte Pheromon RAK, das sich in den Fläschchen befindet, wird den Männchen die Orientierung geraubt, weil so viel Sexuallockstoff in der Luft ist, dass die Männchen nicht mehr wissen, wo sie hinfliegen sollen. Sie werden regelrecht verwirrt – die Paarung fällt aus. Lediglich unbefruchtete Eier, aus denen keine gefräßigen Larven schlüpfen, werden abgelegt.

Warum sieht man neuerdings so viele Pfirsichbäume in den Weinbergen?

Der Mosel-Weinbergpfirsich erlebt an der Mosel eine Renaissance. Das niedrige Bäumchen mit kleiner Krone wuchs Jahrhunderte hinweg mit den Weinreben. Die rosafarbene Blütenlandschaft der Pfirsichbäume gehörte, wie die Rebe, zur Kulturlandschaft und lieferte leckere Früchte. Nach und nach ist aber die Frucht immer mehr in Vergessenheit geraten.

An der Mosel haben sich Erzeuger, Verarbeiter und Vermarkter 2010 zu einer Interessengemeinschaft Moselweinbergpfirsich zusammengeschlossen. Ziel ist es zum einen, aufgegebene Weinbergflächen insbesondere an arbeitsintensiven Steilhanglagen weiter zu bewirtschaften. Dies wurde durch das Land Rheinland-Pfalz bezuschusst, um die Kulturlandschaft zu erhalten.

 Konfitüre und Kompott wird aus diesen Pfirsichen hergestellt, da sie ein intensives, starkes Aroma haben. Obstbrände und Liköre aus Weinbergpfirsichen sind eine geschmackliche Delikatesse.

Gibt es Tiere und Pflanzen, die sich in Weinbauregionen besonders wohl fühlen?

Weinreben brauchen ein ganz besonderes Klima — vor allem viel Wärme und Licht. Das gilt auch für zahlreiche Pflanzen und auch Tiere, die sich bei solchen Bedingungen besonders wohl fühlen.

 Die besten Moselweine wachsen in Steillagen, wie hier im Enkircher Batterieberg. Durch die günstige Sonneneinstrahlung bieten die Süd- beziehungsweise Südwesthänge und die Südosthänge beste Bedingungen für den Weinbau. Dort erzeugen die Winzer die unvergleichlichen und berühmten Rieslingweine.

Die besten Moselweine wachsen in Steillagen, wie hier im Enkircher Batterieberg. Durch die günstige Sonneneinstrahlung bieten die Süd- beziehungsweise Südwesthänge und die Südosthänge beste Bedingungen für den Weinbau. Dort erzeugen die Winzer die unvergleichlichen und berühmten Rieslingweine.

Foto: TV/Winfried Simon
 Diese braunen Ampullen verströmen ab Mai Pheromone (Sexuallockstoffe). Sie dienen der Bekämpfung des Traubenwicklers.

Diese braunen Ampullen verströmen ab Mai Pheromone (Sexuallockstoffe). Sie dienen der Bekämpfung des Traubenwicklers.

Foto: TV/Winfried Simon

Jetzt, im März, befinden sich noch viele für die Weinbaulandschaften typischen Pflanzen sozusagen im Winterschlaf. Besonders früh zeigt sich die Weinbergs-Traubenhyazinthe, die man ab Mitte März in den Rebzeilen an ihren perligen, blauen Blüten gut erkennen kann. Weitere Pflanzen, die typisch für einen „lebendigen Weinberg“ sind, sind unter anderem Wilde Tulpe, Rote Taubnesse, Weinraute und Wiesensalbei. Ein ganz besonders schützenswertes Biotop sind die Trockenmauern in historischen, nicht flurbereinigten Weinbergslagen. Mauerpflanzen wie Mauerpfeffer, Zimbelkraut, Mauerraute oder Fetthenne siedeln sich dort an. Und dort tummeln sich auch Mauer- und Zauneidechsen, und gelegentlich siehtg man auch eine geschmeidige Schlingnatter.

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