Lebenslanges Lernen

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, wie es im staubtrockenen Amtsdeutsch heißt, ist eine politische Erfolgsgeschichte. Was eine sozial-liberale Koalition einst in den 1970er Jahren auf den Weg brachte, ermöglicht bis heute vielen Menschen ein Studium, die es sich wegen ihrer sozialen Herkunft sonst nicht leisten könnten.

Allerdings hat sich die Welt auch weitergedreht. Den persönlichen Werdegang Schule, Studium und anschließend ein Job quasi auf Lebenszeit gibt es praktisch immer seltener. Inzwischen ist lebenslanges Lernen angesagt. Häufig werden erst einmal berufliche Erfahrungen gesammelt, bevor man an eine Universität geht. Das Teilzeitstudium ist ebenfalls auf dem Vormarsch. Nicht nur, weil Frauen während des Studiums Kinder bekommen, sondern auch, weil Angehörige pflegebedürftig werden, oder die hohen Lebenshaltungskosten gerade in Uni-Metropolen einen Nebenjob erforderlich machen.
Auf all diese neuen Lebenswirklichkeiten ist das geltende Bafög unzureichend oder gar nicht eingestellt. Macht eine starre Altersgrenze für den Bafög-Bezug wirklich noch Sinn, wenn das Lernen doch eine Lebensaufgabe ist? Brauchen wir nicht endlich eine echte Weiterbildungs-Förderung?
Es ist gut, dass die neue Bundesbildungsministerin Johanna Wanka jetzt auf politische Antworten dringt. Noch besser wäre es allerdings gewesen, ihre Vorgängerin Annette Schavan hätte sich schon dieser Aufgabe gewidmet. Bis zur nächsten Bundestagswahl bleibt nur noch ein halbes Jahr Zeit. Bis dahin kann eine Reform unmöglich gelingen - zumal Bund und Länder das Bafög gemeinsam finanzieren, der Schwarze Peter für ein Misslingen also munter zwischen den staatlichen Ebenen hin und her geschoben werden kann. Und teurer würde es auf jeden Fall.
Trotzdem wäre es ungerecht, Wanka nur Wahlkampfkalkül zu unterstellen. Die Unionsfrau hat sich schon in der Vergangenheit für eine Stärkung des Bafög engagiert. Zuletzt wurde das Gesetz im Jahr 2010 geändert. Damals war Wanka als Landesministerin in Niedersachsen für Bildung zuständig. In dieser Position konnte sie hautnah miterleben, wie der Bund auch als Reaktion auf massive Studentenproteste die Länder mit einigen Nachbesserungen beim Bafög praktisch überrumpelte.
Nun sind die politischen Vorzeichen umgekehrt. Wanka vertritt den Bund und will den Fehler von damals offenkundig nicht wiederholen. Eine Bafög-Reform, die ihren Namen verdient, kann nur gelingen, wenn Bund und Länder aufeinander zugehen. Das ist das eigentliche Signal, das Wanka mit ihrem Vorstoß aussendet, und das auch nach der nächsten Bundestagswahl Bestand haben muss. Die Opposition sollte diesen guten politischen Ansatz nicht aufs Spiel setzen.
nachrichten.red@volksfreund.de

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