Luftverkehr

Zum Artikel "Nach Beinahe-Unfall über dem Hahn fordert Ryanair jetzt Konsequenzen" (TV vom 20./21. Juli) diese Zuschriften:

Es ist ja schon sehr dreist, wenn die Ryanair Konsequenzen wegen der Annäherung an ein Segelflugzeug im unkontrollierten Luftraum fordert. Das ist genauso, wie wenn ein Autofahrer sich über einen Radfahrer beschwert, dem er die Vorfahrt genommen hat. Der Schwächere hat doch dem Stärkeren gefälligst Platz zu machen! Aber so wie die Straßenverkehrsordnung gibt es auch eine Luftverkehrsordnung, an die sich selbst die Ryanair halten muss: Laut Paragraf 13 Luftverkehrsordnung (Ausweichregeln) "haben stets auszuweichen (1) motorgetriebene Luftfahrzeuge, die schwerer als Luft sind, den Luftschiffen, Segelflugzeugen, Hängegleitern, Gleitsegeln und Ballonen ..." Das passt der Ryanair wohl deshalb nicht, weil ihre Flugzeuge bei Annäherung an den Hahn im unkontrollierten Luftraum tiefer fliegen können und mehr Gewinn abwerfen, als wenn sie aus dem höheren kontrollierten Luftraum, in dem sich keine Segelflugzeuge aufhalten dürfen, steilere Anflüge machen würden. Technisch sind auch Anflüge aus größerer Höhe möglich, und das würde sogar Sinn machen, weil es die Lärmbelästigung für die Ortschaften in den Anflugstrecken spürbar reduzieren könnte. Aber das will man wohl nicht, weil es mehr Geld kostet. Im Gegenteil, offenbar will man jetzt erreichen, dass den Segelfliegern, die weder Lärm noch Abgase produzieren, das letzte kleine Stück Luftraum, das ihnen auf dem Hunsrück noch geblieben ist, auch noch weggenommen wird. Man fragt sich auch, warum zum Beispiel in Spangdahlem solche Probleme offenbar überhaupt nicht existieren, obwohl es dort nur eine kleine Kontrollzone gibt und dort regelmäßig ebenso große vierstrahlige Flugzeuge starten und landen wie auf dem Hahn. Johannes Renner, Speicher Ich weiß aus eigener Erfahrung und kann das als Verkehrsflugzeugführer mit 30 Jahren Erfahrung vor dem Kondensstreifen auch beurteilen, dass insbesondere die Piloten, die Regionalflugplätze anfliegen, sich häufig weit unterhalb des aus verschiedenen Gründen idealen Anflugprofils bewegen und dabei auch mit der in diesem Bereich zulässigen Höchstgeschwindigkeit fliegen. Dadurch entstehen insbesondere bei für den Segelflug geeigneten Wetterlagen völlig unnötig potenzielle Konfliktsituationen. Verkehrsflugzeugführer können durch klügere Wahl der Flughöhen und Geschwindigkeiten sehr viel zur Entschärfung der Situation beitragen. Leider finden die Anliegen der allgemeinen Luftfahrt nicht immer Rückhalt bei der Flugsicherung, die durch Nichtzuweisen frühzeitig niedriger Flughöhen zur deutlicheren Trennung des Verkehrs beitragen könnte. Ich selbst führe diesen Kampf schon lange im Luftraum um Lübeck und finde leider erst Gehör, seit es durch den Fehler eines Lotsen auch hier zu einem Beinahezusammenstoß gekommen ist. Unabhängig von aktuellen Geschehnissen bauen Fluggesellschaften aus England und Irland schon seit Jahrzehnten Druck auf, weite Teile des Luftraumes - darunter auch solche, die die Verkehrsluftfahrt nicht originär benötigt - um die allgemeine Luftfahrt zu schließen oder mit Zugangsbeschränkungen zu belegen. Das ist gerade so, als würden englische Busunternehmer fordern, weite Teile des deutschen Straßennetzes für den privaten Verkehr zu sperren. Es gibt inzwischen einen Kriterienkatalog, nach dem über Beschränkungen im Luftraum entschieden wird. Dem liegt die Verhältnismäßigkeit der Ansinnen der verschiedenen Gruppen zugrunde, denn sicher wäre es unangemessen, große Gebiete um "Nichtflughäfen", zu denen ich viele der unter Verschwendung erheblicher Beträge an Steuergeldern wie Pilze aus dem Boden geschossenen Regionalflughäfen zähle, dauerhaft mit gravierenden Beschränkungen zu belegen. Es steht den Verkehrspiloten also nicht zu, sich über "gefährliche Begegnungen" zu beschweren, so lange sie nicht ihrerseits alles tun, um an den wenigen Tagen des Jahres, an denen sich die Segelflieger über hervorragende Thermik freuen können, die Wahrscheinlichkeit von Begegnungen zu minimieren. Darüber hinaus ist ein vertikaler Abstand von 150 Metern zwischen einem Jumbo und einem Segelflieger das gesetzlich vorgeschriebene Staffelungsminimum. Weder als Segelflieger noch als Verkehrspilot erkenne ich in der derzeit rechtsgültigen Situation ein ernsthaftes Problem. Allerdings müssen alle gewissenhaft arbeiten, was vor allem von Berufsflugzeugführern erwartet werden kann. Die Schuld an vermeintlichen oder tatsächlichen gefährlichen Begegnungen reflexartig "den Kleinen" zuzuschieben ist populistisch und wird der Realität nicht gerecht. Claus Cordes, Dipl. Ing, Flugkapitän, Bad Schwartau

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