Politik

Zum Schwerpunkt "Offene Gesellschaft", zur Debatte um die Kirchen sowie zu den Interviews mit Michael Schmidt-Salomon und Wolfgang Ockenfels (TV vom 13. Januar):

 Politik, Kirchen, offene Gesellschaft ... nein, das Fotomotiv hat mit alldem nichts zu tun. Es ist einfach nur ein Winterbild. Gegenlicht, Luft, freier Geist – das ist doch schon mal was. TV-Foto: Peter Reinhart

Politik, Kirchen, offene Gesellschaft ... nein, das Fotomotiv hat mit alldem nichts zu tun. Es ist einfach nur ein Winterbild. Gegenlicht, Luft, freier Geist – das ist doch schon mal was. TV-Foto: Peter Reinhart

Foto: (g_leser

Eigentlich müsste ich Michael Schmidt-Salomons These nichts hinzufügen: Freiheit, Gleichheit, Individualität und Säkularität sind unverzichtbar, besonders in einer Gesellschaft, deren Wirtschaftssystem diese Ideale als Voraussetzung braucht und sie zugleich hervorbringt; daher lassen sich autoritäre und autokratische Regime auf Dauer nicht halten, wenn sie versuchen, die dynamischen Kräfte des techno-kapitalistischen Marktsystems zu dirigieren und zu regulieren. Lediglich die Spielregeln des freien Marktes werden von diesen Kräften akzeptiert. Und eine Regierung und ihre Administration tun gut daran, dies zu stützen und zu fördern, zumal wenn sie Teil dieses Systems ist wie zum Beispiel die US-Administration. Diese Kräfte bedrohen allerdings auch ihre Voraussetzungen, denn der Klimawandel, die Arm-Reich-Kluft, der Absturz der Individualität in Egoismus, der sogenannte demografische Wandel, die Ungleichheit zwischen Kapital und Arbeit und nicht zuletzt auch der Glaubensverlust, der nicht nur an den Kirchenaustritten abzulesen ist: Alles dies sind mittelbare und unmittelbare Folgen der mittlerweile digitalen Technologie und eines hemmungslosen, globalen Kapitalismus. Enttäuschte und verängstigte Menschen suchen mehr und mehr Schutz und Orientierung angesichts dieser fast schon apokalyptischen Bedrohungen, von dem wachsenden internationalen Konfliktpotenzial, das auch atomar geführte Auseinandersetzungen nicht völlig ausschließt, ganz zu schweigen. Die Migrationsproblematik ist hier nur eines von vielen Symptomen, nicht mehr und nicht weniger. Auf sie können sich die sogenannten Populisten stürzen und stützen. Die vermeintlichen und tatsächlichen Bedrohungen sind jedermann sichtbar. Die eigentliche Bedrohung von Leib, Leben und Besitz bilden nicht die Migranten und nicht die islamistischen Terroristen, sondern genau diese oben genannten Folgen und die daraus resultierenden tiefsitzenden Verunsicherungen großer Gesellschaftsteile in der techno-kapitalistischen Welt - Donald Trumps Erfolg leitet sich weniger aus möglichen russischen Bots als vielmehr aus Vertrauensverlust ab. Unnötig zu sagen, dass auch er den Stein der Weisen nicht besitzt. Ebenso wenig wie ein Hitler, ein Stalin, ein Mao Tsetung, ein Pol Pot oder sonst irgendein "Weltverbesserer" ihn hatte (ohne Trump vorab schon mit ihnen gleichsetzen zu wollen). Wer dann? Gibt es ihn überhaupt? Oder sind wir alle nicht zu sehr verblendet durch Gier, Hochmut, Ignoranz und Gewissenlosigkeit auf der einen und durch Furcht, Pseudo-Realismus, Unwissenheit und Gedankenlosigkeit auf der anderen Seite, dem fast unausweichlichen, "alternativlosen" Verhaftetsein in dieses System, als dass wir ihn noch sehen können? Michael Wilmes, Ralingen-Wintersdorf Wolfgang Ockenfels kritisiert die Willkommens-Euphorie, bezweifelt die sachliche Auseinandersetzung mit dem AfD-Programm, wenn Kritik an der Partei geübt wird, verhöhnt Betroffenheitsgefühle und konstatiert die Vereinbarkeit des Christen mit der AfD-Mitgliedschaft. Wer so argumentiert, der negiert Aussagen führender AfD-Repräsentanten, übersieht offensichtliche Häme und Schuldzuweisungen an Merkel, wenn Probleme mit Flüchtlingen auftreten und akzeptiert diffamierende Äußerungen wie "Flüchtlinge notfalls mit Waffengewalt stoppen" (Frauke Petry), "ein Gutteil der angeblichen Brandanschläge kommen von Flüchtlingen selbst" (Armin-Paul Hampel), "natürlich verdanken wir unseren Wiederaufstieg in erster Linie der Flüchtlingskrise" (Alexander Gauland). Dies sind nur einige der - bestimmt nicht christlichen - Ergüsse bekannter AfD-Politiker. Diese kleine Auflistung entblößt Ockenfels Kritik als ignorante Einlassung einer einseitig erlebten Wirklichkeit. Scham über Ockenfels. Gerd Gerhard, Trier An der AfD scheidet sich mein Geist. Wollen wir, dass sich schlechte Geschichte wiederholt? Ich sage: nein. Als Christin muss ich danach streben, die Zehn Gebote Gottes zu befolgen. Das kann kein Mensch, der sich in der AfD engagiert. Die Gesinnung stimmt nicht. Das Denken geht gegen den Menschen. Das sieht man alleine daran, dass die Presse zu der bevorstehenden Großveranstaltung in Koblenz teilweise ausgeschlossen wurde. Hat die AfD etwas zu verbergen? Ich meine: ja. Sie verbirgt ihr wahres Gedankengut, und dabei spielt der Mensch keine Rolle. Sie will nur an die Macht und ein Relikt wieder auferstehen lassen, das unsere Väter und Mütter teuer mit ihrem Blut und ihrer Unfreiheit bezahlen mussten. Als Christin setze ich mich für die Schwachen ein und unterdrücke keine Gruppen, wie es die AfD tut. Die Demokratie zu leben ist nicht einfach, doch sie wurde hart erkämpft und bietet uns Freiheit im Rahmen der Gesetze, die durch unsere gewählten Vertreter ausdiskutiert und beschlossen werden. Uns geht es in Deutschland gut, und wir können es uns leisten, andere davon profitieren zu lassen. Unser Sozialstaat zeigt den Schwachen in unserer Gemeinschaft Wege auf, damit jeder von ihnen Bildung und Förderung erhalten kann, wenn er/sie will. Ich brauche keine Partei wie die AfD und nicht ihre Gesinnung. Sabine Krämer, Bernkas tel-Kues

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