Vernebelungs-Taktik von Anwälten

Zum Artikel "Schläger entschuldigt sich" (TV vom 5./6. Januar):

Die Überschrift suggeriert dem Leser, dass einer der beiden Täter Reue zeigt. Schön, wenn es so wäre, aber im weiteren Text heißt es dann lapidar, dass er sein Opfer erst um Entschuldigung bitten will, was bedeutet: Er hat überhaupt noch nicht! Der TV übernimmt weiter unkommentiert das Anwaltsdeutsch, wonach "er sein Verhalten bedauere und er erschrocken sei, als er hörte, welche Verletzungen der Mann erlitten habe". Das ist Verhöhnung pur! Und weiter geht es im Originaljargon des Verteidigers, der die Weichen günstig stellen will für seinen Mandanten: "Er überlege, einen Brief zu schreiben und sei wohl schon dran, suche aber noch nach Worten." Dass ein Schläger und Treter seine Stärken nicht beim Schreiben hat, setzen wir einmal voraus, aber dass er "nach Worten ringt" wie ein großer Dichter, das ist schlicht eine Formulierung, die völlig daneben geht, sich aber toll ins Bild fügt. Da sucht man auch als Leser nach Worten. Ist es für jemand, der mit Anlauf einem am Boden liegenden Menschen mit Wucht ins Gesicht und an den Kopf tritt nicht vorstellbar, dass dabei Erschrecken verursachende schwerste Verletzungen die logische Folge sind? Laut Anwalt offenbar nicht, der eine andere Strategie im Auge hat. Des Täters Vorstellungskraft reicht dafür aber so weit, dass "er sich einen Neuanfang in der Türkei nicht vorstellen kann, weil er nicht wisse, wie er dort zurecht kommen solle".Mit seinem Vorstrafenkonto könnte das für ihn real ein Problem sein. Bei uns aber wohl weniger, zumal die anwaltliche Hilfe neben dem unsäglichen Versuch, den Täter positiv darzustellen, auch noch die übliche Ausrede der Schuldfähigkeit ins Gespräch bringt, weil die Täter nach den "Erkenntnissen" des Anwalts betrunken gewesen sein könnte. Man sollte als Leser erwarten dürfen, dass Journalisten Fakten gegeneinander stellen und sauber kommentieren und nicht der Vernebelungs-Taktik von Anwälten auf den Leim gehen, indem Meinungen aus deren Mund sorglos zitiert werden, die dem Täter eine günstige Ausgangsbasis für seinen Prozess schaffen sollen. Hubert Masloh, Saarwellingen kriminalität

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