Leserbriefe Zwei völlig unterschiedliche Systeme

Zum Artikel „Der Kampf der SPD gegen die „Zwei-Klassen-Medizin“ (TV vom 24. Januar) schreibt Michael Rost:

Das Problem geht, historisch gesehen, ja zurück bis ins 19. Jahrhundert, beginnend mit Bismarcks Sozialgesetzgebung und Einführung einer Arbeiterversicherung am 1. Dezember 1884. Schon damals waren die Leistungen der Versicherung begrenzt, und nur bestimmte Ärzte durften in Anspruch genommen werden.
Im Gegensatz dazu war der „normale“ Patient, wie im normalen Geschäftsleben auch, regelrechter Vertragspartner des Arztes.

In den vielen Irrungen und Wirrungen seit der damaligen Zeit sind zwei wesentliche Punkte geblieben: Der Vertragsarzt behandelt einen gesetzlich Versicherten (GKV-Patient) nach den Maßgaben des Sozialgesetzbuches (SGB V) und unterliegt dabei/dadurch der restriktiven Kontrolle der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) (Schlagworte Wirtschaftlichkeitsgebot, Mengen- und Verordnungsbegrenzungen, Regress, um nur einige zu nennen). Zwischen Patient und Arzt besteht keine direkte Vertragsbeziehung, sondern die GKV steht im sogenannten Dreiecksverhältnis noch dazwischen. Das hat zur Folge, dass der Vertragsarzt nicht immer die besseren Maßnahmen ergreifen kann, sondern lediglich die von der GKV erlaubten. Dazu kommt, dass die Gebührenordnung (EBM) nicht die Kosten einer Behandlung abdeckt.
Der Privatversicherte genießt noch das Privileg als Vertragspartner des Arztes. Hier unterliegt der behandelnde Arzt nicht der Kontrolle der Krankenversicherung, kann im Sinne des Patienten (idealerweise) untersuchen, behandeln und verordnen. Er unterliegt lediglich der Jurisprudenz, insbesondere der Aufklärungspflicht über möglicherweise von der Versicherung nicht übernommenen Kosten. Kurz zusammengefasst: Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Vertragssysteme, und dies lediglich auf die bessere Vergütung des Arztes zu reduzieren, zielt am Problem vorbei. Das eine System in das andere zu überführen oder beide zu vereinen, bedeutete für den Gesetzgeber eine wahre Sisyphusarbeit an zu ändernden und anzupassenden Gesetzen und Verordnungen. Nicht gerechnet die Flut von zu erwartenden Klagen wegen nicht eindeutiger Paragrafen und Verordnungen.

Ich bin heilfroh, dass ich nach 29 Jahren vertragsärztlicher Tätigkeit damit nichts mehr zu tun habe (außer als potenzieller Patient).

Michael Rost, Chirurg im Ruhestand, Sirzenich

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