Mensch ... Otto Rehhagel!

Ach, es wäre so schön gewesen: Da kommt der alte König Otto aus dem Ruhestand und rettet mal eben im Handumdrehen die abstiegsbedrohten Hertha-Kicker - wie weiland der große Bellheim sein Kaufhaus im Fernseh-Vierteiler. Der Rentner als Retter, das Zukunftsmodell fürs ganze Land: Ein 72-Jähriger sichert als Bundespräsident das Ansehen der Politik, ein 73-Jähriger sichert den Klassenerhalt des Hauptstadt-Fußballvereins.

Wer wollte da noch Angst haben vor der demografischen Entwicklung? Aber jetzt das: Eine Niederlage jagt die andere, zuletzt gab's von Bayern ein halbes Dutzend in die Kiste - wie früher, als Ihr Spitzname Otto Torhagel lautete. Prompt machen die bösen Buben vom Boulevard aus Ihrem schönen griechischen Ehrentitel "Rehakles" das gemeine Schimpfwort "Debakles". Häme statt Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren - ach nee, Sie tragen ja dunkel, wie Gerhard Schröder. Und zu allem Überfluss losen diese unverschämten Bayern per Schnick-Schnack-Schnuck-Spiel aus, wer die Freistöße gegen Ihr Team schießen darf. Einfach demütigend. Kein Respekt mehr vor dem Alter. Aber, mit Verlaub, Ihre Mannschaftsaufstellung sah so aus, als sei sie ebenfalls im Losverfahren entstanden. Oder haben Sie die beim trauten Abendessen mit Guido Westerwelle ausgeknobelt? Oder mit Ihrem alten Spezi, dem Staatsopern-Intendanten Jürgen Flimm? Sie scheinen ohnehin mehr Lust auf Society als auf die schnöde Kickerei zu haben. Am Sonntag, als sich die Mannschaft zum Straftraining und das Management zur Krisensitzung trafen, saßen Sie gut gelaunt in der CDU-Fraktion in der Bundesversammlung und gaben Ihre Stimme für Ihren Alterskollegen Joachim Gauck ab. Ich kann\'s verstehen: Sie wollten einfach mal das Gefühl haben, unter den Gewinnern zu sein. Wenigstens haben Sie Ihren Humor nicht verloren. "Mein Plan war richtig. Meine Pläne sind immer richtig", sagten Sie nach der Pleite gegen Bayern in bemerkenswerter Selbstironie. - Was meinen Sie? Das war nicht ironisch? Das war völlig ernst gemeint? Na gut, wenn Sie\'s sagen. Aber Achtung: Alter schützt vor Dünkel nicht. Da muss man schon selbst aufpassen. Egal, ob Fußballtrainer oder Bundespräsident.

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