Die Kulturwoche Das Reine im Schmuddligen, das Gute im Kölner

Pornografie – also das, was keiner guckt und alle schauen – kann, und das ist eine ziemlich aktuelle Erkenntnis, durchaus reinigende Wirkung haben. Entspannend sowieso, aber jetzt eben auch säubernd. Wer hätte gedacht, dass große Teile der Welt gerade auf diese Eigenschaft des zwischenmenschlichen Zeitvertreibs momentan große Hoffnungen setzen. In deren Fokus steht Stephanie Clifford, besser bekannt, wenn überhaupt, als „Stormy Daniels“. Doch der Reihe nach: Die stürmische Dame hatte 2006 eine Nacht mit einem Mann verbracht, die weder für ihn noch für sie etwas Besonderes war, will man den Zeugenaussagen glauben (so viele gibt’s da ja auch nicht). Nun ist es den Leuten ziemlich egal, wer sich mit welchem Pornostar wann und wo und warum eine Nacht lang in ein Hotelzimmer einschließt. Aber zehn Jahre später wurde der Freier aus bis heute ziemlich unverständlichen Gründen zum Präsidenten der Vereinigten bzw. Verklemmten Staaten von Amerika gewählt. Flugs wurde dem Pornosternchen, das inzwischen zur Pornoproduzentin aufgestiegen war, ein Schweigegeld in Höhe von 130 000 Dollar angeboten, damit besagte Nacht im Dunkel der Geschichte bleibe. Dumm nur, dass irgendeiner, der Bescheid wusste, doch gequatscht hat, und jetzt ist die Empörung groß. Und die Wut und der Ärger sowieso. Und flugs keimte auch die Hoffnung der „Präsidenten“-Gegner auf, diese Episode möge den blondierten Amateur-Politiker endgültig zu Fall bringen.

 Pornodarstellerin Stephanie Clifford, bekannt als Stormy Daniels, bringt den US-Präsidenten in Bedrängnis.

Pornodarstellerin Stephanie Clifford, bekannt als Stormy Daniels, bringt den US-Präsidenten in Bedrängnis.

Foto: dpa/Matt Sayles

Wenn Miss Daniels wirklich gelingen sollte, was alle Washingtoner Politstrategen, Intriganten und Lügner sowie die russischen Kontaktleute nicht geschafft haben: Ihr wäre eine Medaille zu verleihen nach dem Motto „Sie hat sich um die Menschheit verdient gemacht“. Denn kraft ihres Berufs hätte sie das Weiße Haus, das inzwischen ziemlich schmuddelig geworden ist, tatsächlich wieder be- oder gereinigt, je nach Perspektive. Ein gesunder Pessimismus sei jedoch nicht leichtfertig unter den Teppich gekehrt. Die Mikrobe der menschlichen Dummheit, die Dr. med. Hiob Prätorius, Facharzt für Chirurgie und Frauenleiden sowie Titelheld der gleichnamigen Komödie von Curt Goetz, zeitlebens gesucht hat, um sie auszurotten, ist mittlerweile so antibiotika-resistent geworden, dass die Menschheit damit für den Rest ihrer Tage wohl leben muss. Oder zumindest noch zwei Jahre …

So, und jetzt zu was Positivem, nämlich einem Intellektuellem und Philanthropen, von dem vor allem die Kölner bis heute profitieren. Am 9. Mai 1818 unterzeichnet der Theologe, Universalgelehrte, Universitätsrektor und Sammler ­Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) sein Testament zugunsten der Domstadt. Darin verfügte er, dass seine umfangreiche Kunstsammlung „zu ewigen Tagen“ in seiner Heimatstadt „zum Nutzen der Kunst und Wissenschaft“ verbleiben möge. Das ist jetzt knapp 200 Jahre her, und das Museum, das seinen Namen trägt, feiert ihn gebührend aus Anlass des runden Geburtstags der Stiftungsurkunde. Im Mittelpunkt der gemeinsam mit der Universität Köln und dem Kölnischen Stadtmuseum kuratierten Schau stehen nicht nur Wallrafs Leistung für die Stadt; gefragt wird auch nach seiner Bedeutung heute. Ohne seinen leidenschaftlichen Einsatz in bewegten Zeiten unter französischer und später preußischer Herrschaft würde die vielfältige Kölner Museumslandschaft heute so nicht existieren. Und die kulturbeflissenen Kölner müssten dauernd ins verhasste Düsseldorf fahren, um sich über das wirklich Wahre und Schöne im Leben informieren zu können … Rainer Nolden

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