Konzerte Bachs facettenreiche Weihnachtsklänge

Trier · Wie geschaffen für den Trierer Dom: Rund 800 Besucher erleben am 2. Weihnachtsfeiertag zwei Kantaten und das „Magnificat“ von Johann Sebastian Bach.

 Tenor Hans Jörg Mammel und Altistin Marion Eckstein im Duett „Et misericordia“ aus Bachs „Magnificat“. Im Hintergrund: das Orchester L’arpa festante und die Chöre der Dommusik.

Tenor Hans Jörg Mammel und Altistin Marion Eckstein im Duett „Et misericordia“ aus Bachs „Magnificat“. Im Hintergrund: das Orchester L’arpa festante und die Chöre der Dommusik.

Foto: Martin Möller

 Es ist eine alte und doch immer wieder neue Erfahrung: Bach ermüdet nie. Obwohl der Personalstil des Thomaskantors immer präsent ist – kaum etwas in seinen Werken läuft nach einem vorgefundenen Schema ab. Immer sind sie von einer erstaunlichen Individualität. Triers Domkapellmeister Thomas Kiefer hat sich auf diese Individualität eingelassen und sie mit der Werkauswahl noch betont. Es ist ein reiches, ein vielfältiges Programm: Die erste Kantate aus dem „Weihnachtsoratorium“, in deren Tonfall schon etwas Aufklärerisches mitklingt. Die Kantate „Ich freue mich in dir“ zum dritten Weihnachtstag und schließlich das „Magnificat“ mit seiner großen Instrumentalbesetzung, seiner ausgeprägten Virtuosität und seiner subtilen Text-Musik-Deutung.

Domchor, Kathedraljugendchor, das Barockorchester „L’arpa festante“ und die Solisten Mechthild Bach, Marion Eckstein, Hans Jörg Mammel und Johannes G. Schmidt – sie musizieren mit allem Engagement, mit aller Hingabe und mit aller Sensibilität. Der Einleitungschor zum „Weihnachtsoratorium“ hat bei Kiefer und seinen Ensembles nicht allein festlichen Glanz, er hat etwas zärtlich Ausschwingendes. Die leicht indisponierte Altistin Marion Eckstein macht in der Arie „Bereite dich, Zion“  mit Präsenz und Sprach-Deutlichkeit wett, was ihr an Tonfülle (in diesem Fall) fehlt. Hans Jörg Mammels Evangelist glänzt mit exzellenter Sprache, beschränkt sich dabei auf einen sachlichen Erzählton. Und Bassbariton Johannes G. Schmidt kommt im Rezitativ und der Trompeten-Arie („Großer Herr“) ohne forcierte Theatralik aus und vermittelt doch Stil und Stimmung der Musik.

Wären die Kompositionen nicht von Bach,  dann läge nach diesem Anfang eine konzert-übliche Steigerung nahe. Aber die Weihnachts-Choralkantate und das „Magnificat“ – sie sind gegenüber dem „Weihnachtsoratorium“ nichts Größeres und Stärkeres, sondern ganz einfach anders. Im Kopfsatz der Kantate, einem ausgeprägten Instrumentalkonzert mit sogenanntem „Choreinbau“, brilliert das Orchester. Dazu,  fast stets ganz auf dem Punkt, der Chor mit dem Choral.

 Marion Ecksteins Alt mischt sich in der folgenden Arie vorzüglich mit den Klängen der beiden Oboen. Der euphorische Tonfall der Sopran-Arie  („Wie lieblich“) ist bei Mechthild Bach in besten Händen.  Und wenn dieser Satz in einen „Largo“-Mittelteil ganz ohne Bass übergeht, dann finden die Solistin und die ausdrucksvoll „sprechenden“ Orchester-Oberstimmen zu einer beinahe mystischen Einheit.

Und dann das lateinische „Magnificat“, Mittelpunkt in der Musik der Leipziger Hauptgottesdienste zur Weihnacht. Alle Solistinnen und Solisten – Mechthild Bach sogar in der Doppelfunktion als Sopran eins und Sopran zwei –, sie geben ihren verhältnismäßig kurzen Partien die nötige Statur mit, und im Orchester überzeugen Flöten, Oboe, Solo-Violine und die wohltuend dezenten Trompeten.  Ja, für die Chorsängerinnen und Chorsänger stellt Bach in diesem Werk hohe Hürden auf, und dass ein großer Chor bei dieser Musik nicht die allergrößte Prägnanz aufbieten kann, versteht sich. Aber Domchor und Kathedraljugendchor gleichen mit Überzeugungskraft  aus, was ihnen an Präzision fehlen mag. Exemplarisch der Abschnitt „Omnes Generationes“. Da beschwören die Sängerinnen und Sänger eine wunderbar große, eine allumfassende Vision: alle Geschlechter werden die Gottesmutter selig preisen. Und im wunderbar anschaulichen „Gloria“ entfaltet der Chorklang eine herrlich weite, ja, eine räumliche Dimension – wie geschaffen für den Trierer Dom.

Es schien ein Konzert zu werden wie jedes andere auch. Aber dann dreht sich Thomas Kiefer im vollbesetzten Dom zu den Zuhörern und gibt nach einer kurzen Orgel-Einleitung den Einsatz zum Lied „O du fröhliche“. Alle singen mit. Das Publikum wird zur Gemeinde. Welch wunderschöner, welch bewegender Abschluss!

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