Kreuzchen für Parlamente der Kassen

Auf der Liste der Wahlen mit der größten Beteiligung rangiert die Sozialwahl auf Platz drei hinter Bundestags- und Europawahl. Mit ihrer Stimmabgabe entscheiden Versicherte von Kranken- und Rentenkasse mit über Zusatzbeitrag, Pflegegeld oder Hausarztmodell.

Berlin. Mitte April bekommen rund 48 Millionen Menschen Post von ihrer Krankenkasse und der Rentenversicherung. Inhalt: Stimmzettel für die Sozialwahl. Alle sechs Jahre sind die Versicherten aufgerufen, Verwaltungsräte und Vertreterversammlungen zu bestimmen. "Parlamente der Kassen" nennt der Bundeswahlbeauftragte Gerald Weiß die Gremien. Mit seinem Kreuzchen "übt der Verbraucher sein Mitbestimmungsrecht aus und wirkt bei strategischen Entscheidungen mit."

Einfluss auf Leistungen



Die Kassen-Parlamente haben an vielen Stellen das Sagen. Sie entscheiden mit darüber, wer Chef einer Krankenkasse wird und wie hoch das Gehalt ausfällt. Direkt spüren Verbraucher den Einfluss bei Kosten und Leistungen: Hausarztmodell ja oder nein, Zusatzbeitrag, Wahltarif ja oder nein, neue Angebote - die Gremien stellen die Weichen.

Bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) mit Sitz in Berlin geht es ebenfalls ums Geld. "Die Vertreterversammlung entscheidet, wie die Beitragszahlungen verwendet werden, was mit Einnahmen und Ausgaben passiert", sagt ein Sprecher. Das Gremium legt beispielsweise auch fest, wie viel Versicherte für Reha-Leistungen zuzahlen müssen und wer als ehrenamtlicher Rentenberater arbeitet.

Hans-Werner Bumb ist einer von rund 2600 Beratern. Im nordfriesischen Viöl hilft er beim Ausfüllen von Rentenanträgen und dem Klären von Rentenkonten und Kindererziehungszeiten. Zu dem Job kam er über die Krankenkasse. "Ich gehöre der DAK-Mitgliedergemeinschaft an, sie hat mich auf die Kandidatenliste für den Verwaltungsrat gesetzt, von dort wurde ich an die DRV delegiert", erläutert der ehemalige Leiter des Ordnungsamts Viöl den Werdegang.

Der ist typisch für die Sozialwahl. In der Regel stellen Gewerkschaften und andere Interessengruppen die Listen zusammen, über die der Versicherte dann entscheiden soll. Einzelkandidaten sind ebenso wenig vorgesehen wie Parteien und Politiker. Gerald Weiß: "Praktiker sollen die Angelegenheit des Sozialversicherungsträgers regeln." Nachteil der Listen: Über Jahre hinweg kandidieren oft die gleichen Leute, eine "Verjüngung bleibt aus." Verbraucher können sich in Broschüren, in Mitgliederzeitschriften der Kassen, im Internet und über Telefon-Hotlines kostenlos über die Bewerber informieren. Zusätzlich haben Kassen und DRV im Internet die gemeinsame Infoseite www.sozialwahl.de eingerichtet. Darüber hinaus beschreiben sie in Unterlagen das Wahlprozedere. Dazu gehört, dass viele Versicherte mehrmals mitstimmen können. Wer bei der DRV versichert ist, darüber hinaus einer Krankenkasse und einer Unfallversicherung angehört, kann auch dreimal mitmachen.

Die Sozialwahl ist eine Briefwahl. Den Stimmzettel erhalten die Versicherten automatisch per Post. Für im Ausland lebende Verbraucher gibt es Ausnahmen. So schicken die Krankenkassen nur denjenigen etwas zu, die in der EU, in Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz und auf Island leben. Bei der DRV müssen grundsätzlich alle "Ausländer" die Papiere anfordern.

Danach ist der Ablauf gleich: Nach dem "Kreuzchenmachen" kommt der Zettel in den beiliegenden roten Umschlag, und der wandert in den Briefkasten. Das Dokument muss spätestens am 1. Juni beim Absender eingetroffen sein. Es zählen nur die Stimmen, die im roten Umschlag auf dem Tisch liegen.

EXTRA

WäHLER



Aufgerufen zur Sozialwahl sind die Versicherten der Krankenkassen Barmer, GEK, TK, DAK, KKH Allianz und hkk sowie Rentner und Beitragszahler der Rentenversicherung Bund. Mindestwahlalter ist 16 Jahre. Die Nationalität spielt keine Rolle. Die Ergebnisse werden im November veröffentlicht. Die AOK beteiligen sich nicht, weil sie ihre Selbstverwaltungsgremien anders besetzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort