"Bauern sind nicht Verursacher, aber die Leidtragenden"

Trier · Noch immer ist die Ursache für die Häufung von Infektionen durch den Ehec-Erreger nicht gefunden. Der Trierer Agrarwissenschaftler Sören Thiele-Bruhn hält es für unwahrscheinlich, dass etwa Gülle Schuld für die Erkrankungen ist.

Trier. Erdbeeren, Blattsalat, Salatgurke, rohe Tomaten: Nach dem Verzehr dieser Lebensmittel werden die Patienten, die mit blutigem Durchfall zum Arzt oder ins Krankenhaus gekommen sind, standardmäßig gefragt. Der vom für die Gesundheitsüberwachung zuständigen Robert-Koch-Institut (RKI) verfasste Fragebogen für die Ärzte fragt nur nach dem Verzehr von bestimmtem Obst und Gemüse, und danach, wo man es gekauft oder gegessen hat (Kantine oder Gaststätte). Andere Infektionsquellen für den Darmkeim Ehec wurden offensichtlich bislang ausgeschlossen. "Etwa rohes Fleisch, Kontakt mit Tieren, Streichelzoos", sagt Harald Michels. Der Leiter des Trierer Gesundheitsamts hat das RKI bereits Anfang der Woche darauf hingewiesen, dass er andere Übertragungswege wie die bis vorgestern vermuteten Salatgurken für wahrscheinlich hält.
Trotz der bundesweiten Ausbreitung von Ehec geht er von einer "lokal begrenzten" Quelle in Norddeutschland aus. Dort habe es die meisten Fälle gegeben und gibt es sie auch weiterhin. Auch die beiden bislang einzigen in der Region aufgetretenen aktuellen Ehec-Fälle haben einen Bezug in den Norden. Eine 32-Jährige aus dem Kreis Trier-Saarburg, die an einer leichten Form der Ehec-Infektion erkrankt war, arbeitet in Norddeutschland. Die 61-Jährige, ebenfalls aus dem Kreis Trier-Saarburg, die durch die Infektion an einem Nierenversagen leidet und noch immer im Krankenhaus behandelt wird, hat sich vermutlich bei einer Rundreise durch Norddeutschland angesteckt. Zwar habe sie angegeben, dort auch Salat gegessen zu haben. "Aber wer tut das nicht", sagt Michels. Wenn wirklich Gurken, Tomaten oder Salat die Ursache für Ehec-Infektionen wären, dann, so Michels, müsste es noch mehr Fälle geben. Bislang hat es vier Ehec-Fälle in Rheinland-Pfalz gegeben. Michels hält das Risiko, sich durch den Verzehr von regionalem Obst und Gemüse anzustecken, für gering.
Es gebe bislang keinen Hinweis darauf, dass etwa Salat oder Gurken aus Rheinland-Pfalz mit dem gefährlichen Darmkeim verseucht seien, sagte gestern auch ein Experte des Landesuntersuchungsamts. Alle bisherigen Proben von hier erzeugtem oder verkauftem Obst und Gemüse seien negativ gewesen.
Durch die "pauschale Warnung" des RKI vor Salatgurken und Tomaten sei den Landwirten ein "extrem hoher" Schaden entstanden, sagt Leo Blum, Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau. Die Lage einzelner Gemüseanbauer sei dramatisch. "Da wird global behauptet, irgendwelche Bauern haben Gülle auf Obst oder Gemüse geschüttet und damit die Infektionen verursacht", kritisiert Blum das RKI. Auch bei den anderen Lebensmittelskandalen wie BSE oder Dioxin in Futtermitteln seien nicht die Landwirte die Verursacher gewesen, "aber die Leidtragenden". Laut einer aktuellen Umfrage hat die Hälfte der Deutschen seit Bekanntwerden der Ehec-Fälle ihre Ernährung umgestellt und verzichtet auf rohes Fleisch und rohes Gemüse.
Der Trierer Agrarwissenschaftler Sören Thiele-Bruhn hält es "für ziemlich" unwahrscheinlich, dass die Ursache für die Ehec-Verbreitung in der Landwirtschaft liegt. Zwar enthalte Gülle Enterohämorrhagische-Escherichia-coli-(Ehec)-Bakterien, doch sei es unüblich, erntereifes Obst und Gemüse damit zu düngen, so der Professor für Bodenkunde an der Uni Trier. Hauptsächlich die Fäkalien von Rindern, Schafen und Ziegen enthalten die Keime. Nimmt der Mensch diese etwa durch das Essen von rohem Fleisch oder durch Rohmilch auf, kann er sich infizieren. Selbst wenn Ehec-Bakterien etwa auf Salatgurken gelangt wären, seien sie durch gründliches Waschen im Normalfall zu entfernen, so Thiele-Bruhn. Eine Erklärung für die Ausbreitung hat der Agrarexperte nicht.

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