CIA-Chef Brennan und der Schandfleck auf Amerikas Weste

Washington · Nach dem Bericht über Foltermethoden des US-Geheimdienstes CIA räumt Präsident Obama ein Fehlverhalten der USA ein. Menschenrechtler fordern Konsequenzen. Eine davon wäre die Entlassung von CIA-Chef Brennan.

Washington. Es sind die typisch sperrigen Sätze des Amtsbetriebs, mit denen sich John Brennan aus der Affäre zu ziehen versucht. "Als Agentur haben wir aus unseren Fehlern gelernt, weshalb meine Vorgänger und ich im Laufe der Jahre verschiedene rehabilitierende Maßnahmen ergriffen haben, um institutionelle Defizite anzusprechen", erklärt der CIA-Chef, nachdem der Geheimdienstausschuss des Senats das Kapitel CIA-Folter in schockierenden Details publik gemacht hatte. Gleichwohl, fügt er hinzu, habe seine Agentur weder systematisch gelogen, noch den Kongress bewusst in die Irre geführt.
Einmal abgesehen von republikanischen Parteifreunden George W. Bushs, gibt es kaum jemanden, der die Worte für bare Münze nimmt. Brennan war Stabschef der CIA, die Nummer drei der von Direktor George Tenet angeführten Hierarchie, als 2002 das Folterkapitel begann. Er habe entwürdigende Methoden wie Waterboarding stets abgelehnt, betont er, und in internen Gesprächen kein Hehl daraus gemacht. Von seinen damaligen KoIlegen kann sich allerdings niemand daran erinnern, dass er Einspruch einlegte.Finsteres Kapitel


Der Name Brennan, so schreibt es der Pulitzer-Preisträger Mark Mazzetti in einem Buch über die CIA, sei eng verbunden mit einem Programm, das Barack Obama in seiner Sturm-und-Drang-Zeit einen Schandfleck auf der Weste Amerikas nannte. Was genau der Arabienexperte wusste, wie aktiv er mitwirkte an dem finsteren Kapitel - nichts davon ist wirklich geklärt.
In Dianne Feinsteins Bericht über die Folterpraktiken wird er nur vier Mal erwähnt, ausschließlich in den Fußnoten. Zu den glühenden Anhängern "verschärfter Verhöre" gehörte er offenbar nicht. Doch die Geschichte vom heimlichen Dissidenten, der angesichts der Exzesse der Regierung Bush in die innere Emigration ging - es gibt kaum einen kritischen Kopf, der ihm das abkaufen würde.
Der Mann sei der Falsche, um die CIA in dieser kritischen Phase zu führen, sagt es ein Sprecher der Bürgerrechtsliga ACLU ohne Umschweife. Es sei schwer zu erkennen, wie ausgerechnet ein langjähriger Insider wie Brennan "seinen Kumpels" eine Kursänderung aufzwingen könne. Der Senator Mark Udall, ein Demokrat aus Colorado, hatte bereits im Sommer den Rücktritt des 59-Jährigen gefordert. Da war bekanntgeworden, dass sein Dienst die Computer des untersuchenden Senatsausschusses gehackt und dabei brisante Dateien gelöscht hatte. Später warf ihm Feinstein vor, dass er es in seiner Geheimniskrämerei grotesk übertreibe mit den schwarzen Balken, die brisante Passagen ihres Berichts - nicht zuletzt die Namen der an der CIA-Folter beteiligten Länder - unlesbar machen sollten.
Obama hingegen hält nach wie vor große Stücke auf Brennan, zumindest im Moment lässt nichts darauf schließen, dass er ihn abzusetzen gedenkt. Von 1996 bis 1999 Leiter der CIA-Residentur in Saudi-Arabien, empfahl sich der Sohn irischer Einwanderer als intimer Kenner einer Region, die mit den Anschlägen des 11. September 2001 noch stärker in den Fokus rückte. Der Präsident hätte ihn gern schon parallel zu seinem Amtsantritt vor sechs Jahren an die Spitze der Central Intelligence Agency bugsiert, nachdem ihn Brennan im Wahlkampf beraten hatte. Er verzichtete, weil es sich rieb am Anspruch des bejubelten Hoffnungsträgers, kompromisslos mit dem Bush-Erbe zu brechen.
Bevor er Brennan nach seinem Wahlsieg zum CIA-Chef ernannte, machte er ihn zu einem obersten Antiterrorstrategen, angesiedelt in einem fensterlosen Zimmer des Westflügels des Weißen Hauses, das bald so etwas wie die Leitzentrale jenes ferngesteuerten Drohnenkriegs wurde, an dem Obama als Alternative zu kostspieligen Truppeneinsätzen großen Gefallen fand. Brennan steuerte einen schönen Spruch zum Strategiewechsel bei: Man arbeite jetzt mit dem Skalpell, nicht mehr mit dem Hammer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort