Der umkämpfte Himmel
Trier · Die einen wollen mit Windrädern die Umwelt schonen, die anderen sehen in den immer größer werdenden Anlagen einen Eingriff in die Natur. Der Streit um die Windkraft wird immer heftiger. Vor allem im Kreis Bernkastel-Wittlich.
Trier. Über 400 Windräder drehen sich in der Region. Und geht es nach Windkraftunternehmen und Kommunen, sollen sich auf den Höhen von Eifel, Hunsrück und dem Moseltal weitere der immer größer werdenden Rotoren drehen. Doch die Realisierung von Windparks wird immer schwieriger. Bis die Anlagen genehmigt seien, vergingen oft bis zu zwei Jahren, weil die Genehmigungsbehörden bei den Kreisverwaltungen personell unterbesetzt seien und die Zahl der Anträge oft nicht bewältigen könnten, sagt Uwe Seher. Im Vulkaneifelkreis wird die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Genehmigungsverfahrens mit ein bis zu eineinhalb Jahren angegeben, drei Monate sind es laut Kreisverwaltung im Eifelkreis Bitburg-Prüm, sieben Monate in Bernkastel-Wittlich.
Oft ändert sich die Stimmung
Seher plant mit seiner Firma in Trier Windparks in der Region. Bis aber die Anlagen tatsächlich gebaut werden könnten, ändere sich nicht selten die Stimmung vor Ort. Die anfängliche Begeisterung und Zustimmung schlage häufig in Ablehnung und Protest um, sagt Seher. Und oft werde dann mit dem gleichen Argument, mit dem er und seine Mitbewerber überzeugt sind von Windkraft, gegen die Projekte demonstriert: wegen Naturschutz. Meist verbinden Gegner und Windrad-Unternehmer nämlich gleiche ideologische Wurzeln. Sie treten für Umweltschutz ein, sind gegen Atomkraft. Während viele Gegner in Windrädern einen unzulässigen Eingriff in die Natur sehen, sind Windkraft-Unternehmer wie Seher davon überzeugt, dass sie mit ihren Projekten dazu beitragen, Umwelt und Klima zu schonen.
Die Auseinandersetzung wird dann auch schon mal unsachlich geführt, wenn etwa ein Vorstandsmitglied der Naturschutzvereinigung BUND Rheinland-Pfalz in einer Mail im Juni von "fundamentalen Windkraftbekämpfern" redet. Und der Grünen-Landtagsabgeordnete Bernhard Braun hat vergangenes Jahr Windkraftgegner als Extremisten bezeichnet. Die Lobby der Windkraftenergie, der Bundesverband der Windenergie, gibt sich etwas zurückhaltender, ärgert sich aber auch, dass Gegner immer öfter Projekte torpedieren. Am ehesten könne man den Widerstand gegen Windräder verringern, wenn man die Bürger mit einbinde, heißt es beim Landesverband Windenergie. Etwa durch Genossenschaften. Bürger können sich finanziell am Bau und Betrieb von Windparks beteiligen und profitieren nachher von den Einnahmen durch den dort produzierten Strom.
Unterschiedliche Interessen
Doch nicht alle Windenergie-Unternehmer haben ein Interesse an solchen Modellen. Sie streichen lieber selbst die Gewinne ihrer Anlagen ein. Die Windräder in der Region sind von unterschiedlichen Unternehmen errichtet worden. Allein im Kreis Trier-Saarburg liegen derzeit Anträge auf Genehmigung von Windkraftanlagen von acht verschiedenen Unternehmen vor, die Hälfte davon aus der Region, insgesamt seien es derzeit 13 Anträge für 73 Windkraftanlagen, heißt es aus der Trier-Saarburger Kreisverwaltung. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm, wo sich bereits 246 Windräder drehen, liegen 28 Anträge für 73 Anlagen vor. Elf Anträge für 59 Anlagen warten derzeit in der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich auf Genehmigung. Das Besondere dabei: Einige der Anträge stammen von der Energie Bernkastel-Wittlich, an der der Kreis beteiligt ist. Es geht dabei um einen Windpark in einem Waldgebiet zwischen Morbach und Piesport. 50 Windräder sollen dort gebaut werden. Seit Monaten tobt dort ein Streit zwischen Gegnern und Befürwortern des Projektes. Im März ist die Auseinandersetzung eskaliert, als Jäger angeblich mit Waffen auf Naturschützer gezielt haben sollen. Die Jäger sind Mitglied im Wintricher Gemeinderat. Die Gemeinde ist an dem geplanten Windpark beteiligt. Die Ermittlungen der Trierer Staatsanwaltschaft in dem Fall dauern noch an.
Der Ranzenkopf sei ein "erschreckendes Beispiel für einen undurchsichtigen Komplex zwischen Windindustrielobby, Politik, Gutachtern und Genehmigungsbehörden, sagt Windkraftkritiker und einstiger BUND-Landesvorsitzender Harry Neumann. Dem BUND hat er den Rücken gekehrt, weil er ihm unkritische Nähe zur Windkraftlobby vorwirft. "Rund um die sogenannten erneuerbaren Energien ist ein neuer politisch-industrieller Komplex entstanden, dem es gänzlich an Transparenz und Unabhängigkeit fehlt", sagt Neumann.
Kritik an Landkreisen
Hierzu gehöre, dass Landkreise und Kommunen über sogenannte Anstalten des öffentlichen Rechts selber teilweise Betreiber von Windindustrieanlagen seien. "Landräte sind Vorsitzende von Anstalten öffentlichen Rechtes und gleichzeitig Chefs der Genehmigungsbehörden." Wie eben in Bernkastel-Wittlich. "Es liegen in solchen Fällen große institutionelle Befangenheiten vor, die kein Vertrauen in rechtsstaatliches Handeln ermöglichen", so Neumann. Die anderen Kreise in der Region verneinen auf TV-Anfrage, an Windkraftprojekten beteiligt zu sein. Auch das Bündnis Energiewende für Mensch und Natur, ein Zusammenschluss von Windkraftgegnern sieht im Kreis Bernkastel-Wittlich eine Interessenverflechtung. Bündnis-Sprecher Uwe Anhäuser spricht von einem Skandal. Die "exorbitanten Gewinne der Windindustrie" verlockten Ortsgemeinden, Waldbesitzer und private Grundeigentümer zur lukrativen Teilhabe an "diesem Goldrausch”.
In Niedersachsen sorgt ein Betrieb von Windkraftanlagen durch den Landkreis Aurich derzeit für heftigen Wirbel. Der Steuerzahlerbund sieht einen Verstoß gegen die niedersächsische Kommunalverfassung. Danach dürfen sich Kommunen nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn der öffentliche Zweck dies rechtfertige. Dazu müsste, so der Steuerzahlerbund, der durch die vom Landkreis betriebenen Windräder produzierte Strom aber vor Ort vermarktet und nicht in das öffentliche Netz eingespeist werden. Gegner des Ranzenkopf-Projektes wollen nun auch die Kommunalaufsicht einschalten.
Neumann fordert einen Stopp für den Bau neuer Windräder. "Da wir mittlerweile an einem Punkt angelangt sind, an dem die sogenannten erneuerbaren Energien die biologische Vielfalt, Landschaften, Wälder und Lebensräume in großem Stil gefährden und zerstören und nur einen marginalen Beitrag von 1,8 Prozent zum gesamten Energieverbrauch leisten, ist ein sofortiger Ausbaustopp für Windindustrieanlagen dringend erforderlich."
Einen Stopp wird es in Rheinland-Pfalz nicht geben. Allerdings hat die Ampelkoalition beim Windkraftausbau auf die Bremse gedrückt. Die Mindestabstände zu Dörfern und Städten von bis zu 200 Meter hohen Anlagen wurden auf 1000 Meter erhöht. Höhere Windräder müssen mindestens 1100 Meter entfernt sein. Auch gibt es mehr Ausschlusskriterien für den Bau von Anlagen.
Für viele Kommunen könnte das bedeuten, dass bisherige Planungen für Flächen hinfällig geworden sind. Bis September will das Land einen Entwurf für ein neues Landesentwicklungsprogramm vorlegen, das dann im April kommenden Jahres in Kraft treten soll. Bis dahin herrscht in vielen Kommunen Hektik. Sie versuchen, noch vorher Planungen für Windräder genehmigt zu bekommen. wieExtra
Genehmigung von Windenergieanlagen: Die Zulassung einer Windenergieanlage erfolgt im nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Dafür zuständig sind die unteren Naturschutzbehörden bei den Kreisverwaltungen. Bei der Genehmigung prüfen die Gremien bei der Kreisverwaltungen insbesondere, ob die Vorschriften des Natur- und Artenschutzrechts und das Bauplanungs- und das Raumordnungsrecht eingehalten werden. wie