Die Großregion braucht ein Gesicht

Schaut man sich jenseits der Symbolpolitik die Wirklichkeit des Projekts Großregion an, sind bestimmte Defizite nicht zu übersehen: Die Dimension des Saar-Lor-Lux-Raumes und die Namensgebung machen es kaum möglich, dass ein kulturelles und regionales Wir-Gefühl entsteht, das belastbare Grundlage für eine intensive und umfassende Zusammenarbeit in möglichst allen relevanten Politikfeldern sein könnte. Die mannigfachen politischen Institutionen und diversen Verwaltungsgremien, die die meisten Bürger nicht einmal kennen, sind wenig geeignet, dem Wahrnehmungsdefizit der Bürgerschaft entgegenzuwirken.

Das Projekt Großregion ist in der breiten regionalen Öffentlichkeit immer noch nicht angekommen.
Besonders gravierend ist der Umstand, dass Luxemburg seit der Finanzkrise und den eigenen Wirtschaftsproblemen sich von seiner Rolle als dominierender Partner innerhalb der grenzüberschreitenden Kooperationen zu verabschieden scheint. Die eigenen wirtschaftspolitischen Herausforderungen veranlassen Luxemburg zu neuen Akzentsetzungen, nämlich zur intensiven Suche nach neuen Geschäftspartnern und Investoren auf der internationalen Ebene. Wirtschaftliche Interessen reichen offensichtlich nicht aus, um kulturelle und regionale Identitäten auszubilden. Damit Institutionen und Bürgerschaft keine parallelen Welten bilden, sind transparente, leistungsfähige und bürgernahe politische Strukturen und Prozesse notwendig. Im Sinne guter Bürgerbeteiligung sollten dabei zivilgesellschaftliche Engagements intensiver gefördert und zwischen den Teilregionen professionell vernetzt werden. Die Verstärkung der regionalen Zusammenarbeit muss einhergehen mit der Ausbildung eines grenzüberschreitenden Wir-Gefühls, welches nicht alleine von ökonomischem Win-Win-Denken abhängt.

Nicht zuletzt sollte der vom ehemaligen Luxemburger Premierminister Jacques Santer und dem Honorarkonsul Franz-Peter Basten öffentlich gemachte Vorschlag aufgegriffen und intensiver durchdacht werden: "Die Großregion braucht ein Gesicht!" Jedenfalls könnte ein möglichst direkt von der Bürgerschaft gewählter Präsident der Großregion, auch wenn er lediglich mit Repräsentationsfunktionen ausgestattet ist, erheblich mehr identitätsstiftend wirken als ein "Haus der Großregion".

Wolfgang Lorig, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Trier.

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