Hoher Preis für ein bisschen Freiheit

New York/Washington · Der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, kann gegen Kaution das Gefägnis entlassen. In seinem New Yorker Apartment, das er nur zu bestimmten Anlässen verlassen darf, dürfte er sich bis zum Prozess am 6. Juni aber wie in einem Gefängnis fühlen.

New York/Washington. Der gestrige Umzug von seiner kargen Einzelzelle auf der berüchtigten Gefängnisinsel Rikers in ein Apartment in Manhattan - er kostet den früheren IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn einen hohen Preis. Denn der seit Donnerstag offiziell von einer 23-köpfigen Geschworenenjury nach zweitägigen Geheimberatungen und Zeugenanhörungen angeklagte Politiker muss die Zeit bis zu seinem Prozessbeginn am 6. Juni in einem Goldenen Käfig verbringen. Das schreiben die massiven Auflagen von Richter Michael Obus vor, der für den 62-jährigen Franzosen gleich an ganzes Bündel an Sicherheitsvorkehrungen einbaute.
Verglichen mit dem Fall Kachelmann in Deutschland wirken die Bestimmungen überwältigend und auch übertrieben: umgerechnet 700 000 Euro Kaution. Dazu eine weitere Bürgschaft über rund 3,7 Millionen Euro für den Fall, dass Strauss-Kahn Bedingungen seiner Freilassung verletzt. Seine aus Paris angereiste Frau, die Fernsehjournalistin Anne Sinclair, habe dazu als Sicherheit die Villa des Ehepaars in Washington verpfändet, so US-Medien.
DSK wird eine elektronische GPS-Fußfessel tragen und mindestens einen bewaffneten Wärter anstellen müssen, der vor seinem innen und außen von Videokameras überwachten Apartment dafür sorgen soll, dass sich der Beschuldigte nicht unerlaubt entfernt. Allein für diese Maßnahmen berechnet die beauftragte Sicherheitsfirma, die schon 2009 den Hausarrest des später verurteilten Milliardenbetrügers Bernard Madoff (siehe Extra) arrangierte, der Familie Strauss-Kahn rund 140 000 Euro pro Monat. Und verlassen darf der Mann, der von der Verlesung der formellen Anklage bei seinem Kautionstermin am Donnerstag überrascht wurde, das private Gefängnis nur für den Kirchgang, Arztbesuche, Treffen mit den Anwälten und Gerichtstermine. Maximal vier Besucher gleichzeitig sind erlaubt. Seine Reisepässe sind zudem längst konfisziert, und Richter Obus ließ DSK zusätzlich noch ein Dokument unterzeichnen, mit dem dieser im Fluchtfall seiner Auslieferung aus anderen Staaten zustimmt.
Ein bisschen Freiheit zu einem hohen Preis. Der harsche Umgang mit dem prominenten Angeklagten, der die ihm zur Last gelegten Sexualdelikte gegenüber einem Zimmermädchen des New Yorker Sofitel abstreitet und für den weiter die Unschuldsvermutung zu gelten hat, liegt auch in der Tradition des US-Justizsystems begründet, das Sexualverbrechen einen extrem hohen Stellenwert einräumt. Dies wiederum hat damit zu tun, dass die meisten Richter und Staatsanwälte von den Bürgern in ihre Ämter gewählt werden - und diese deshalb auf die öffentliche Meinung Rücksicht nehmen. Strauss-Kahn, dem nun bis zu 74 Jahre Haft drohen, wurden aber auch die unangenehmen Erinnerungen an den Fall Roman Polanski zum Verhängnis.
Immer wieder hatte Staatsanwalt John McConnell, der nach eigenen Angaben "jeden Tag neue Beweise" für die Schuld des Angeklagten findet, bereits im ersten Kautionstermin auf den Filmregisseur hingewiesen, der sich bisher erfolgreich dem in den USA geplanten Verfahren wegen des mutmaßlichen Missbrauchs einer Minderjährigen im Jahr 1977 entziehen konnte. Drei Fälle von Kautionen in Millionenhöhe: Bernard Madoff: Der New Yorker Investmentmanager kam im Dezember 2008 nach Zahlung von zehn Millionen US-Dollar unter Hausarrest und musste eine elektronische Fußfessel tragen. Michael Jackson: Im Dezember 2003 kam der Popstar auf freien Fuß, nachdem er eine Kaution von drei Millionen US-Dollar hinterlegt hatte. Johannes und Dieter Löbert: Die beiden Hauptaktionäre einer Berliner Recyclingfirma mussten im Juli 1999 eine Kaution von zusammen zehn Millionen Mark (5,1 Millionen Euro) hinterlegen. Ihnen wurde Kreditbetrug zur Last gelegt. dpa

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