Murphys Gesetz: Zurück zur Tagesordnung

Durch die Wikileaks-Affäre ist nach Ansicht des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) kein Bruch in den Beziehungen zwischen Deutschland und den USA entstanden. Die Freundschaft zwischen beiden Staaten sei viel mehr von Taten als von Worten abhängig, erklärte Beck am Dienstag nach einem Treffen mit US-Botschafter Philip Murphy.

Mainz. Breites Lächeln, schneller Schritt: US-Botschafter Philip D. Murphy ließ sich keinerlei Unsicherheiten anmerken, als er in der Mainzer Staatskanzlei vor die Presse trat. Neben ihm ein lächelnder rheinland-pfälzischer Ministerpräsident Kurt Beck (SPD).

Die Botschaft dieses Auftritts, noch bevor das erste Wort gesprochen wurde: Die peinlichen Wikileaks-Enthüllungen können eine gewachsene Partnerschaft nicht beschädigen. Ergo: Zwischen Amerika und Deutschland ist alles in Butter, zwischen Rheinland-Pfalz und den USA sowieso.

Dass dies dennoch keine ganz normalen Konsultationen eines Ministerpräsidenten mit einem US-Botschafter waren, ließen schon die vielen Kameras und Mikrofone vermuten, die Murphy und Beck umzingelten.

Der Choreografie des Zufalls war es zu verdanken, dass der US-Botschafter mitten in dem weltweiten Daten-Skandal erst nach Wiesbaden zum hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) und danach zu Beck nach Mainz reiste.

Hintergrund: Die Internetplattform hatte am Wochenende mehr als 250 000 teils geheime Depeschen von US-Diplomaten veröffentlicht. Dabei kamen teils recht negative Einschätzungen deutscher Spitzenpolitiker durch die US-Seite ans Licht. Über Kurt Beck in seiner Zeit als Bundesvorsitzender der SPD hieß es: "Er flirtet gelegentlich mit populistischen Ansätzen." Zudem waren die Botschaftsmitarbeiter in der Ära von US-Präsident George W. Bush der Meinung, dass Beck "versucht sein kann, Positionen einzunehmen, die problematisch für die USA sind", wenn er verzweifelt sei oder dazu ermutigt werde. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident meinte jetzt dazu: "Mich als Kritiker von Bushs Wirtschaftspolitik hinzustellen: Damit kann ich leben."

US-Botschafter Murphy, in grauen Zwirn gehüllt, bemühte sich, vor der strahlend weißen Wand des Medienraums die politische Reset-Taste zu drücken. "Das ist ein Besuch bei einem guten Freund", meinte er zu Beck. "Rheinland-Pfalz ist sehr wichtig für die USA." Und beim Rausgehen rief er der versammelten Journalistenschar noch zu: "Ich liebe Mainz." Dennoch konnte der amerikanische Chef-Diplomat in Deutschland seine tiefen Sorgenfalten kaum verbergen. Die Enthüllungen von Wikileaks nannte er ärgerlich und unverantwortlich. Da taten die Worte von Kurt Beck gut: "Wir haben keinen Bruch in unseren Beziehungen." Ähnlich wie Berlin und Washington bleibt auch Rheinland-Pfalz und den USA gar nichts anderes übrig als Murphys Gesetz von der Rückkehr zur Normalität zu folgen. Mainz braucht die Wirtschaftskraft der US-Streitkräfte; Washington benötigt das Bundesland im deutschen Südwesten als Militärstandort.

So haben Beck und Murphy lieber intensiv den Bau einer milliardenschweren US-Klinik in der Westpfalz besprochen.

Wirtschaft schlägt eben Wikileaks - um Längen.

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