Obama dämpft den Jubel, aber das Volk feiert

"Unsere Nation befindet sich im Krieg. Unsere Wirtschaft ist in der Krise": Kurz vor der Amtseinführung als neuer US-Präsident versucht Barack Obama, die Erwartungen zu dämpfen. Die Amerikaner sind dennoch zum Feiern entschlossen.

Washington. Barack Obama wirkt ernst und nachdenklich, als er vor dem Marmor-Denkmal Abraham Lincolns die "riesige Herausforderung" beschreibt, vor der sich Amerika befindet. Eine gewaltige Menschenmenge lauscht seinen mahnenden Worten - dann feiert, jubelt und rockt sie ausgelassen mit Bruce Springsteen und anderen Stars. Die von Obama zitierte Herausforderung liegt von heute an auf seinem Schreibtisch. Gegen zwölf Uhr mittags wird er als 44. Präsident der Vereinigten Staaten vor dem Kapitol den Amtseid auf der Bibel ablegen, die schon Abraham Lincoln benutzt hat - und als erstes farbiges Staatsoberhaupt der Weltmacht damit Geschichte schreiben. Die Last seiner Aufgaben sei "gewaltig", schreiben übereinstimmend die US-Medien - und Barack Obama hat, sich der Schwere der Erblast von George W. Bush bewußt, auch die Erwartungen in den letzten 48 Stunden zu dämpfen versucht. Er wolle nicht den Eindruck erwecken, dass es leicht werde, diese Herausforderungen zu meistern," so Obama zuletzt. Es werde mehr als einen Monat oder ein Jahr dauern, vermutlich sogar mehrere Jahre.

In seiner heutigen, mit Spannung erwarteten Grundsatz-Rede werde er deshalb ein Ende der "Alles-ist-möglich"-Mentalität und mehr Verantwortung von Politikern, Wirtschaftsführern, aber auch von jedem einzelnen Bürger beschwören, hieß es.

Spektakel sprengt alle bisherigen Dimensionen



Eine düstere Prognose des neuen Präsidenten, der das Land auf harte Zeiten und Verzicht einstimmen will. Was gar nicht so dazu passen will, dass Washington die Amtseinführung als mehrtägiges Jubelspektakel zelebriert, das alle bisher erlebten Dimensionen sprengt. Mehr als 150 Millionen Dollar sollen die Feierlichkeiten kosten, allein 25 000 Polizisten sind im Dienst, und 7000 mobile Toilettenhäuschen wurden für den großen Tag geordert. Ein großer Teil dieser Ausgaben geht zulasten der US-Steuerzahler. Hunderte von Bällen, Konzerten und Parties sollen die Millionen Besucher auf den Beinen halten. "Wenigstens ein Teil der Wirtschaft boomt", lästert das Magazin "Time".

Vergessen scheinen die Appelle, die US-Demokraten vor vier Jahren an George W. Bush richteten, als dieser seine zweite Amtszeit antrat: Er solle nicht zu ausgiebig feiern, das Geld sei für andere Projekte besser zu gebrauchen. Auch Präsident Roosevelt habe schließlich, so damals die Argumentation, 1945 seine Amtseinführung im Weißen Haus spartanisch mit Hühnersalat und Kranzkuchen zelebriert und auf jeden Pomp verzichtet.

Im Obama-Lager wehrt man sich gegen Kritik, in schlechten Zeiten zu ausgiebig zu feiern. Die Veranstaltungen seien "eine Zelebrierung unserer gemeinsamen Werte, nicht des Wahlsieges".

Morgen beginnt dann für Barack Obama der Ernst des Präsidenten-Daseins: Der erste volle Arbeitstag ist bereits durchgeplant. Auf dem Terminkalender stehen Gespräche zum Konjunktur-Paket und eine Sitzung mit der Top-Militärführung mit dem Tagesordnungspunkt: Eine neue Strategie für den Irak und für Afghanistan.

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