Schöne neue Welt

Also lautet ein Beschluss, dass der Mensch was lernen muss. Für Max und Moritz, die Antihelden aus der Feder des Humoristen Wilhelm Busch, war die Schule ein Horrortrip; die bösen Buben sprengten gar ihren Lehrer Lämpel in die Luft.

Und fanden selbst ein trauriges Ende, die beiden tumben Totalverweigerer. Ein Ende, das allen droht, die "der Weisheit Lehren" ignorieren - so die Moral aus der Geschichte. Die Kernthese aus Wilhelm Buschs Klassiker gilt unverändert. Heutzutage klingt nur das Vokabular anders. "Wissen ist der entscheidende Produktionsfaktor unserer Zeit, und Management ist die Kunst, Wissen produktiv zu machen." Sagt zum Beispiel Fredmund Malik, einer der Gurus unter den Unternehmensberatern. Wissen - ein Schlüsselthema der postindustriellen Gesellschaft, entscheidender Wettbewerbsvorteil für die Deutschland AG im globalen Verteilungskampf. Wie kann sich das Land fit machen für die Zukunft? Wie ist Wissen zu erlangen, zu vermitteln, zu mehren? Die Bildungspolitik ist ein Dauerbrenner - auch in Rheinland-Pfalz, wo demnächst der Landtag neu gewählt wird. Längst haben sich die Kontrahenten in Stellung gebracht: Regierungschef Kurt Beck und die Seinen verbreiten eine Jubelmeldung nach der anderen, das Lager des Herausforderers Christoph Böhr retourniert prompt - samt der Verheißung, es anders, in jedem Fall aber besser zu machen. Angesichts des Feuerwerks an bildungspolitischen Visionen sind viele Eltern verunsichert. Sie hören von den angeblichen Erfolgen der Ganztagsschule hier, lauschen den vermeintlichen Vorteilen der Einschulung mit fünf Jahren dort. Sie grübeln über den Sinn immer neuer Studien von Pisa bis Vera, sie machen sich Gedanken über Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung, die möglicherweise ihre Kinder unterrichten. Und fast täglich werden sie konfrontiert mit miesepetrigem Gemaunze über Sparzwänge, lustlose Pauker und freche Pennäler. Tja, und wenn es einmal nicht um die Interpretation tiefgründigen Bildungs-Geschwurbels geht, sondern um ein scheinbar konkret messbares Thema wie den Unterrichtsausfall an Grundschulen in der Region Trier - dann bestätigt sich rasch: Grau ist alle Theorie. Der behördlich ermittelte "Versorgungsgrad" liegt bei 100,5 Prozent. Prima, klingt gut, mehr als genug - stimmt aber nicht mit dem wirklichen Leben überein. Denn die Statistik erfasst nicht den so genannten temporären Ausfall (Abwesenheit von Lehrern wegen Erkrankung, Klassenfahrt oder Fortbildung), und auch nicht den strukturellen (insgesamt zu wenig Neueinstellungen von Lehrern, sagen die Gewerkschaften). Also fällt Unterricht aus, die Statistik verschleiert die Realität. Derlei Schönfärberei verärgert Eltern, die im Alltag ganz anderes erleben. Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Das sollten die rheinland-pfälzischen Wahlkämpfer berücksichtigen, wenn sie auf Stimmenfang gehen - mit dem Versprechen einer schönen neuen Bildungswelt. p.reinhart@volksfreund.de

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