Seltsame Debatten vor der großen Landtagswahl

Berlin · Kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen bringen sich die Parteien im Bundestag in Stellung. Während Angela Merkel die wichtigen Themen des bevorstehenden Gipfeltreffens nur streift, poltert Frank-Walter Steinmeier gegen die Regierungskoalition.

Berlin. Angela Merkel redete, als wolle sie ein Hypnose-Experiment machen: Wie schläfert man bei einem eigentlich spannenden Thema einen ganzen Bundestag innerhalb von 30 Minuten ein?
Ihr folgte donnernd Frank-Walter Steinmeier, ebenfalls mit einer eigenartigen Übung: Wie zeigt man Muskeln, die man nicht hat? Die gestrige Bundestagsdebatte galt den bevorstehenden G8- und Nato-Gipfeltreffen in den USA. Doch schimmerte immer wieder die Innenpolitik durch, vor allen Dingen die NRW-Wahl am Sonntag.
Bloß keine Unruhe schüren, Sicherheit ausstrahlen, war die Devise Angela Merkels. Zwar streifte die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung alle wichtigen Themen, die bei den bevorstehenden Gipfeltreffen auf der Tagesordnung stehen werden, vom Klimawandel über die Energiepolitik bis zur Ernährungssituation in den Ländern der Südsahara. Aber sie nannte sie jeweils nur in Überschriften und bedachte sie mit präsidialen Worten. Das ging vom "transatlantischen Bündnis der gemeinsamen Werte" bis zur Aussage, dass die Gipfeltreffen zeigen würden, wie eng die Welt zusammengewachsen sei. Die Euro-Krise spielte nur eine marginale Rolle.
Dass Frank-Walter Steinmeier aus allen Rohren schießen würde, auch wenn das zur vorgelegten Tonlage Merkels überhaupt nicht passte, hatte man schon vorher geahnt. Denn der sozialdemokratische Vielleicht-Kanzlerkandidat hat in den eigenen Reihen zunehmend Probleme mit seinem Schmuse-Kurs gegenüber der Regierung.
Syrien, Iran, der Afghanistan-Abzug, Russland, alle konfliktreichen Themen habe die Kanzlerin ausgelassen, sagte der Sozialdemokrat. Und holte noch weiter aus. Die schwarz-gelben Jahre seien "verlorene Jahre für Deutschland" gewesen, die Regierung lebe von den Reformen der Schröder-Zeit, aber bringe selbst nichts zustande, Rot-Grün sei die "kraftvolle Alternative". Am Ende war Steinmeier beim Betreuungsgeld, was bei einer Debatte über bevorstehende G8-Gipfel doch etwas exotisch wirkte. Unions-Fraktionschef Volker Kauder fand in seiner Replik jedoch instinktsicher sofort den wunden Punkt: Steinmeier rede nur so, weil er es seiner Fraktion jetzt beweisen müsse.
Am Rande ginge es dann doch noch um ein wirklich heikles Thema, den Umgang mit dem Euro-Rettungsschirm ESM und dem Fiskalpakt. Beides steht im Bundestag demnächst zur Abstimmung. Merkel betonte, dass sie, ähnlich wie Frankreichs François Hollande, auch für Wachstumsimpulse sei, aber damit Strukturreformen meine. "Ein Wachstum auf Pump würde uns zurückwerfen zum Anfang der Krise."
Steinmeier verwies auf die Tatsache, dass die Regierung für beide Verträge im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit benötigt, also das Ja der Opposition. "Nicht wir brauchen Sie, Sie brauchen uns".
Und dann listete er seine Forderungen auf: Einen "vernünftigen Mix" aus Einsparungen und Wachstumsimpulsen, ein Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit und die Einführung der Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte.Extra

Der Anti-Piraten-Einsatz der Bundeswehr am Horn von Afrika sieht künftig anders aus. Erstmals dürfen deutsche Soldaten bis sechs Kilometer ins Landesinnere Jagd auf Seeräuber machen — allerdings nur aus der Luft. Im Bundestag gab es dafür am Donnerstag eine klare Mehrheit von Schwarz-Gelb. dpa

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