Bauchweh ist noch keine Krankheit – Wenn aber Kinder immer wieder über Schmerzen und Durchfall klagen, sollten Eltern hellhörig werden

Der Sohn will nicht in die Kita, die Tochter hat Angst vorm Alleinsein. „Ich habe Bauchweh“, sagen beide unisono und fahren sich mit der Hand über den Bauchnabel: „Hier, da tut es ganz doll weh.“ Eltern wissen: Das geht meist rasch vorüber.

Bauchweh ist noch keine Krankheit – Wenn aber Kinder immer wieder über Schmerzen und Durchfall klagen, sollten Eltern hellhörig werden
Foto: (46760671)

Auch Privatdozent Dr.med. Wolfgang Thomas beruhigt: "In den meisten Fällen handelt es sich um funktionelle Beschwerden, für die man keine organische Ursache findet." Der Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen rät: "Man sollte sein Kind immer ernst nehmen, aber zu viel Aufmerksamkeit kann auch zur Verstärkung einer funktionellen Symptomatik führen.

Die Kinder und Jugendlichen, die mit ihren Eltern bei Dr. Thomas vorstellig werden, klagen über Beschwerden, deren Ursachen oft gravierend sind. Beispiel Morbus Crohn und Colitis ulcerosa: Etwa 300.000 Menschen leiden hierzulande an einer dieser chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Die können in jeder Altersphase auftreten, doch sind immer mehr Jugendliche und Kinder betroffen. Und die Erfahrung zeigt: Je früher Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa auftreten, desto ausgeprägter ist in der Regel ihr Verlauf und werden die Beeinträchtigungen in der Lebensqualität sein. Meist äußern sich die Erkrankungen in starken, oft krampfartigen Bauchschmerzen und heftigen, nicht selten blutigen Durchfällen.

Über die Ursachen dieser Erkrankungen herrscht keine letzte Gewissheit, und bis dato lassen sich diese Leiden zwar lindern, jedoch nicht heilen. "Wir müssen aber den Verlauf der Erkrankung unter Kontrolle bekommen, um schwerwiegende Folgen zu verhindern", sagt Kinder- und Jugendmediziner Thomas. Voraussetzung hierfür ist eine exakte und möglichst frühzeitige Diagnose, und bei dieser kommt Dr. Erwin Rambusch und seinem Team ein wichtiger Part zu: Der Leiter der Gastroenterologie und stellvertretende Leiter des Darmzentrums im Klinikum Mutterhaus führt auch bei Jugendlichen und Kindern Magen- und Darmspiegelungen durch. "Hierfür gibt es spezielle, besonders dünne Endoskope, die eine schonende Untersuchung ermöglichen", berichtet Dr. Rambusch. So lassen sich schon in jungen Jahren chronisch-entzündliche Darmerkrankungen diagnostizieren.

Dr. Thomas erläutert, warum gerade bei Kindern und Jugendlichen ein frühzeitiges Gegensteuern mit Medikamenten oder einer speziellen Ernährungstherapie vonnöten ist. Da die Darmentzündung dem Körper alles abverlangt, drohen Verzögerung des Wachstums und der Pubertätsentwicklung. Der Chefarzt veranschaulich dies an einem konkreten Beispiel: Ein 14-jähriges Mädchen, das an Morbus Crohn leidet, sieht kindlicher aus, ist kleiner und hat auch ein geringeres Körpergewicht als Gleichaltrige; obendrein bleibt oft seine Regelblutung aus. Die körperlichen Symptome ziehen oft eine Stigmatisierung nach sich. Zumal das Mädchen mit weiteren Beeinträchtigungen wie häufigem Stuhlgang oder verstärkten Schmerzen im Verlauf eines Schubs zu kämpfen hat. Deshalb erhalten die betroffenen Kinder und Jugendlichen im Mutterhaus eine ganzheitliche Behandlung, bei der die Villa Kunterbunt eingebunden wird. Hier kommen sie mit anderen jungen Erkrankten in Kontakt und lernen, wie sie im Alltag mit ihren Beschwerden besser zurechtkommen können.
Die Zahl der Kinder mit Gluten-Unverträglichkeit ist beträchtlich, wogegen Tumorerkrankungen des Darms im Kindesalter sehr selten sind. Diese chronische Erkrankung des Dünndarms nennt man auch Zöliakie. Gluten kommt in Getreidearten wie Weizen, Roggen, Gerste oder Dinkel vor. Abgesehen von Beschwerden wie Durchfall erhöht eine Zöliakie signifikant das Risiko, im späteren Leben an einem bösartigen Dünndarmtumor zu erkranken.

Ebenfalls die Lebensqualität mindernd, sind Zucker-Unverträglichkeiten. Zwar tritt eine Milchzucker-(Laktose)-Unverträglichkeit oft erst im Erwachsenenalter auf, doch sind auch Kinder und Jugendliche betroffen, so Dr. Thomas. Ein weiteres Phänomen, mit dem schon junge Menschen zu kämpfen haben, ist Verstopfung. Viele Kinder und Jugendliche ernähren sich ungesund und meiden Bewegung. Ballaststoffreichere Ernährung und mehr Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen sind gute Mittel, einer Verstopfung vorzubeugen. Das gilt für Kinder gleichermaßen wie für Erwachsene.

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