Regionale Wirtschaft Stirbt die Schweinehaltung in der Eifel aus? Wieso so viele Landwirte aufhören

Bitburg/Prüm · Im Vergleich zum Vorjahr gab es 2022 ein Fünftel weniger Schweine in den landwirtschaftlichen Betrieben des Landes. Höfe machen zu oder orientieren sich um – auch in der Eifel. Wir haben Bauern aus der Region gefragt, wieso das so ist.

Die Schweinehaltung ist in der Region auf dem Rückgang. Die Branche scheint sich aktuell für die Landwirte nicht mehr wirklich zu lohnen.

Die Schweinehaltung ist in der Region auf dem Rückgang. Die Branche scheint sich aktuell für die Landwirte nicht mehr wirklich zu lohnen.

Foto: dpa/Marijan Murat

„Früher war der Raum um Bitburg eine Hochburg für Schweinebauern“, sagt Gerhard Thiel. „Zu Glanzzeiten vor acht Jahren gab es hier rund elf Betriebe. Jetzt sind es noch vier.“ Der Landwirt aus Ingendorf gehörte selbst mal zu ihnen. Jetzt verkauft er sein Getreide direkt, anstatt es an die Schweine zu verfüttern – und ist mit seiner Entscheidung nicht der einzige.

So sehr ist der Schweinebestand des Landes in der Landwirtschaft gesunken

Eine Erhebung des Statistischen Landesamtes zeigt: In nur einem Jahr haben 41 Prozent der kleineren Betriebe in Rheinland-Pfalz mit Schweinebeständen von unter 100 Schweinen die Haltung komplett eingestellt. Um fast ein Drittel hat sich die Anzahl größerer Betriebe mit über 1000 Schweinen verringert. Insgesamt gebe es dieses Jahr 20 Prozent weniger Schweine in den Höfen des Landes, als noch im Jahr zuvor. Woran liegt das? Lohnt sich die Branche nicht mehr?

Profitrechnung: Wie viel ein Schwein kostet und wie viel der Bauer daran verdient

Thiel sagt, von „lohnen“ könne zurzeit nicht die Rede sein: „Die Schweinebauern verdienen nichts mehr oder legen sogar noch Geld drauf.“ Wie kann das sein? Thomas Epper hat einen Schweinezucht- und Mastbetrieb in Sülm und rechnet unserer Zeitung seine Ausgaben vor: Der Grundpreis für ein Ferkel liege aktuell bei 58 Euro. Das Futter, bis das Tier Schlachtgewicht erreicht hat, koste etwa 112 Euro – und das nur, wenn man eigenes Getreide anbaut. Hinzu kämen Kosten in Höhe von 37 Euro für Impfungen, Tierarzt, Strom, Wasser, Transport und weitere Kleinigkeiten. Alles zusammen: 207 Euro. Bei einem aktuellen Marktpreis von 2 Euro pro Kilogramm Schweinefleisch, bekämen die Landwirte allerdings nur rund 200 Euro für ein ganzes Tier zurück. Und dabei seien zum Beispiel noch nicht mal die Lohnkosten für die Mitarbeiter am Hof oder den Landwirt selbst mitgerechnet.

Wie es möglich ist, als Schweinebauer mehr als Marktpreis zu verdienen

Wie konnte es dazu kommen? Und wie hält sich Epper über Wasser, wenn er eigentlich ständig Minus machen müsste. „Unsere besondere Situation erlaubt uns, diese Phase gerade so durchzustehen“, sagt der Landwirt. Der Epperhof sei ein Familienbetrieb mit sehr geringen Lohnkosten. Außerdem habe er noch Absprachen mit einigen Metzgern, die Wert darauf legen, speziell Eppers regionales Fleisch anzubieten und deshalb beim Schlachthof etwas mehr bezahlen als üblich.

Bauern erklären, wieso die Schweinehaltung in der Region immer weniger wird

In so einer Situation sind allerdings nicht alle Höfe. Gerade der Wegfall der direkten Metzgereivermarktung seit einigen Jahren sei einer der Gründe, warum die Schweinebauern finanziell mehr Probleme haben. Andreas Lenz von der Kreisgeschäftsstelle Bitburg-Prüm des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau erklärt, was damit gemeint ist: „Früher haben die kleinen Metzgereien in den Ortschaften ihre Schweine direkt vom Bauer gekauft und selbst geschlachtet. Die konnten irgendwann die strenger werdenden staatlichen Auflagen aber nicht mehr erfüllen und mussten den Umweg über externe Schlachthöfe gehen. Damit muss jetzt natürlich einer mehr an dem Schwein mitverdienen und für die Landwirte bleibt weniger übrig.“

„Auflagenflut“ zwingt Landwirte zu hohen wiederkehrenden Investitionen

Wie Lenz, aber auch die Bauern Thiel und Epper weiter erklären, würden solche Auflagen oft im Kern der Probleme der Landwirte stehen. Um das Jahr 2000 habe es angefangen, sagt Thiel. Seitdem gebe es immer wieder neue Tierwohl- und Haltungsstandards, die dazu führen dass so gut wie alle Bauern viel Geld in neue Ställe investieren müssen, die diese erfüllen. Das eigentliche Problem dabei sei allerdings, dass sich die Regeln in zu kurzen Abständen ändern, sodass ständig neue Umbauarbeiten anstehen. Epper gibt ein Beispiel: „Ein befreundeter Bauer hatte in seinem Schweinestall, wie gefordert, einen Spaltenboden eingebaut. Kurze Zeit später wurde allerdings festgelegt, dass die Spalten genau 18 Millimeter breit zu sein hätten – ein paar Millimeter weniger, als bei ihm der Fall war. Er musste also den ganzen Boden austauschen. Das hat etwa 60.000 Euro gekostet.“

Die sogenannte „Auflagenflut“ belaste die Bauern schon seit Jahren und die damit einhergehenden Umbaukosten seien bei vielen „der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, meint Landwirt Thiel und stellt noch mal klar: „Auch wir wollen Tierschutz, aber das kostet viel Geld.“

Wie Corona und die Schweinepest die Schweinehaltung in der Region beeinflusst haben

Der Rückgang der Schweinehaltungen war in den vergangenen zwei Jahren noch einmal steiler als in den Jahren zuvor. Auch dafür gebe es Gründe, verraten die Landwirte: Das Coronavirus und der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland. So wie etliche andere Betriebe seien auch Schlachthöfe in den Pandemiejahren oft nicht voll besetzt gewesen. Dadurch seien Schlachttermine nach hinten verschoben worden, erklärt Epper. Die Schweine fraßen weiter, wurden dicker und entsprachen dann nicht mehr den genauen Vorgaben der Käufer. Das habe den Preis nach unten gedrückt.

Die Schweinepest auf der anderen Seite habe wichtige Exporte nach Asien verhindert – ein weiter Dämpfer für die Einnahmen der Branche, um die es aktuell nicht gut steht. Die befragten Landwirte sind sich einig: Wenn es so weitergeht, dann gehe die Schweinehaltung in Rheinland-Pfalz in ein paar Jahren verloren. Lenz vom Bauernverband: „2024 kommen wieder neue Auflagen mit möglichen Umbauten auf die Bauern zu. Da erwarten wir eine neue Schließungswelle.“

Wie die Lage nach Meinung der Landwirte verbessert werden könnte

Wie das Problem zu lösen wäre, sei eine sehr komplizierte Frage. Der Ukraine-Krieg und die damit einhergehenden Preissteigerungen machen die Lage nicht besser. Einen Wunsch, den Thiel an die Politik richten würde: „Es fehlt einfach Perspektive und Planungssicherheit. Wenn sich die Bauern zuverlässig darauf einstellen könnten, unter welchen Bedingungen sie zumindest die nächsten 10 Jahre arbeiten könnten, wäre uns schon viel geholfen.“ Ein weiterer Vorschlag von Epper: Fleisch vom örtlichen Metzger oder von der Regionalmarke Eifel einkaufen, weil das werde auch von Supermarktketten deutlich besser bezahlt.

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