Das Vergnügen am Fehltritt anderer

TRIER. Vor ausverkauftem Haus präsentierte die Truppe von "Steiners Theater-Stadl" in der Trierer Europahalle das Stück vom verflixten Muttermal. Begeisterte Zuschauer feierten die sieben Schauspieler nach den drei Akten, die natürlich nach allerlei Verwirrung zu einem Happy End führten.

 Meister der leichten Unterhaltung: Der 79-jährige Peter Steiner begeistert seine Fans.Foto: Gerhard W. Kluth

Meister der leichten Unterhaltung: Der 79-jährige Peter Steiner begeistert seine Fans.Foto: Gerhard W. Kluth

Es ist schon lange her, da waren es richtige Straßenfeger. Wenn Aufführungen vom Hamburger Ohnsorg-Theater oder vom Bayerischen Komödienstadl im deutschen Fernsehn übertragen wurden, dann saßen die Menschen zuhause oder in der nächstgelegenen Gaststätte, weil es ihnen an einem privaten Pantoffelkino noch mangelte. Manch einer mag sich noch an die Zeiten erinnern, als Heidi Kabel hanseatisch kühl oder Gustl Bayrhammer bayerisch derb die verzwicktesten Lebenssituationen auf die Bühne brachten - letztendlich immer nach demselben Strickmuster und doch immer wieder anders.Manchmal hilft die Flucht in den Irsinn

Schnee von gestern? Das lockt heute keinen mehr hinter dem Ofen hervor? Von wegen. Zugegeben - ein Straßenfeger ist eine Volkskomödie heute nicht mehr. In Zeiten aber, in denen Theater und andere Kultureinrichtungen um jeden einzelnen Zuschauer kämpfen müssen, sollte man schon aufmerksam werden, wenn mehr als 1000 bei weitem nicht nur ältere Menschen sich zu solch' einer Veranstaltung drängen. Erleben konnte man dies in der Trierer Europahalle, als dort Steiners Theater-Stadl mit der Komödie "Das verflixte Muttermal" gastierte. Überall zeigten sich im Foyer der Halle erwartungsfrohe Menschen, manche von ihnen stilgerecht im recht einsichtigen Dirndl oder in der Trachtenjacke mit den originalen Hirschhornknöpfen. Die Geschichte, um die es ging, ist eigentlich schnell erzählt. Theo Gatterer (Peter Steiner) liebt Pferderennen, bei denen ihm, zum Leidwesen seiner Frau Erna (Erna Waßmer), das Glück überhaupt nicht hold ist. Nachdem alle Ersparnisse verspielt sind, setzt er seine Hoffnung in seinen Sohn Anderl (Christoph Henkelmann), der die mitgiftschwere Nachbarstochter Heike (Heike Augsberger) heiraten will. Durch eine Illustrierte wird allerdings ein Fehltritt Anderls mit der frechen Lotte (Rosetta Pedone) dokumentiert und das bringt das Ganze in Gefahr. Seine Schwiegereltern Rosa (Gerda Steiner) und Benjamin (Manfred Maier) identifizieren aufgrund eines Muttermales auf der Pobacke zweifelsfrei Anderl. Einzige Möglichkeit, die Ehepläne zu retten, ist die Behauptung, nicht Anderl sondern Theo, der auch ein solches Muttermal hat, sei der sittenlose Übeltäter gewesen. Vor dem heiligen Zorn seiner Frau rettet sich Theo dadurch, dass er den Irrsinnigen spielt, der gelegentlich nicht weiß, was er tut. Genug Stoff, um drei Akte lang das Ganze wieder ins Lot zu bringen und in einem Happy End auslaufen zu lassen. Was lockt nun an solch einer überzogenen Geschichte so viele Menschen ins Theater, bringt sie dazu, sich vor Lachen zu biegen und sich kräftig auf die Schenkel zu klopfen? Ist es dieses Menschenbild von der alles dominierenden Ehefrau, die ihrem intelligenzfreien Mann sagt, wo es lang geht? Ist es das Vergnügen, dass hier ein Fehltritt aufgedeckt wird, den man selber vielleicht, natürlich ohne entdeckt zu werden, auch einmal gerne begehen würde? Die schauspielerische Leistung der Mitwirkenden ist es, gemessen an dem, was eigentlich Standard ist, sicherlich nicht. Anerkennung kann man eigentlich nur Peter Steiner, Prinzipal der Truppe, für seine Bühnenpräsenz zollen, mit der 79-Jährige agiert. Vielleicht ist es einfach nur der Wunsch, nach Unterhaltung, nach Humor und nach guter Laune, der die Menschen begeistert. Wenn das so ist, hat der Abend seinen Sinn erfüllt. Die Zuschauer in der ausverkauften Europahalle waren restlos begeistert.

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