Hauchzarte Töne: Ivo Pogorelich in Luxemburg

Luxemburg · Als ein Meister feinster Technik und tiefgründigen Spiels hat Pianist Ivo Pogorelich in der Philharmonie begeistert. Mit ihm war das Orchestre Philharmonique de Radio France unter Leitung von Myung-Whun Chung zu Gast.

Luxemburg. Er ist nicht nur ein brillanter Techniker. Ivo Pogorelich ist auch ein Meister der musikalischen Gedankenstriche. Wohldurchdacht spielt er, mit der Vernunft des Geistes wie des Gefühls. Tausendmal hat man Frédéric Chopins Klavierkonzert Nr. 2 gehört und längst geglaubt, es gäbe nichts mehr daran zu entdecken. Und doch: Wenn der in Belgrad geborene Pianist Chopins Komposition spielt, hat sich alles erledigt, was bis dahin lieb gewonnene Hörerfahrung war.
Nachdenklich, mit wunderbar beredten Pausen, machte der Pianist hörbar, was Chopins Musik an wechselvollen, kontrastreichen Stimmungen und Gedanken enthält: das Wunderbare wie das Gespenstische und Verstörende, ihre ungestüme Dramatik, ihre bisweilen melancholische Klangschönheit und Innerlichkeit - herrlich das Larghetto darin. Am eindrücklichsten ist Pogorelich, wo er am leisesten ist. Kaum mehr als ein Hauch scheint die Musik in seinen atemberaubenden Pianissimi, der Anschlag nur eine hingehauchte Geste. Dennoch sitzt jeder Ton punktgenau.
Begleitet wurde der Pianist vom Orchestre Philharmonique de Radio France unter der Leitung des Koreaners Myung-Whun Chung. Geradezu diskret standen die Musiker dem Pianisten zur Seite, nur zuweilen antwortete das Orchester ihm mit vollem Klang, so als ob sie der unentschlossenen Musik etwas entgegensetzen müssten, das Dauer versprach.
Nach der Pause stand Gustav Mahlers Symphonie Nr. 1 in D-Dur ("Titan") auf dem Programm. Chung ließ gut strukturiert musizieren, mit viel Sinn für die Klangfarben und die Vielschichtigkeit des Werks. Stellenweise gelangen ihm großartige Klangbilder. Wunderbar der Beginn des dritten Satzes mit den leisen Pauken und dem sich Takt für Takt verdichtenden Klang. Weniger überzeugten die Streicher. Mit viel Schmelz gingen sie die lyrischen Partien an, nicht immer schlackenfrei und leider auch nicht immer genau in den Einsätzen. Die 1000 Zuhörer im Saal applaudierten trotzdem stürmisch. er

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