"Ich hatte nie eine Karl-Marx-Phase"

Trier · Zur Premiere des Films "Der junge Karl Marx" spricht der Hauptdarsteller über unterhaltsame Briefe und eine reizvolle Freundschaft.

 Der Schauspieler August Diehl bei der Premiere von „Der junge Karl Marx“ in Trier. TV-Foto: Friedemann Vetter

Der Schauspieler August Diehl bei der Premiere von „Der junge Karl Marx“ in Trier. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Der Film "Der junge Karl Marx" widmet sich fünf Jahren aus dem Leben des Gesellschafskritikers und Ökonomen. Zur Premiere kam auch der Hauptdarsteller, August Diehl, nach Trier. Wie er sich mit der Person Marx auseinandergesetzt hat, erzählt er im TV-Interview.

Wann sind Sie das erste Mal Karl Marx begegnet?
August Diehl In der Schule kam das Thema natürlich auf. Aber sonst habe ich mich mit dem Stoff erst in der Vorbereitung zum Film beschäftigt. In meinem eigenen Leben hatte ich nie eine Karl- Marx-Phase oder so was.

Wie haben sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Diehl Ich hatte das Glück, dass ich sehr sehr früh schon wusste, dass ich diese Rolle spielen werde. Und dann habe ich mich erst mal - frei nach Marx' Prämisse, das der Mensch Produkt seines Milieus ist - mit der Zeit, in der er lebte, beschäftigt. Mit den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts in Paris also, wo er im Exil gelebt hat. Darüber gibt es sehr viele Zeitzeugenberichte, denn zu dieser Zeit haben viele, noch heute bekannte Menschen dort gelebt: Bakunin, Proudhon, aber auch Heinrich Heine war dort.

Und wie haben Sie sich dem Menschen Marx genähert?
Diehl Da haben mir die Briefe sehr geholfen. Darin tritt er als Mensch ja viel stärker hervor als in seinen Werken. Und ich empfehle die Briefe wärmstens zur Lektüre, die sind wirklich sehr unterhaltsam zu lesen. Nicht nur die Briefe von Marx selbst, sondern auch die von seiner Frau und von Friedrich Engels.

Als Sie das Angebot bekommen haben, was hat Sie daran gereizt, Marx zu spielen?
Diehl Gar nicht so sehr die Rolle selbst, sondern das Drehbuch und wie es erzählt wurde. Die Freundschaftsgeschichte zwischen Engels und Marx steht ja im Vordergrund, das war das eigentlich Reizvolle.

Die Gala schreibt über Sie: ,Charaktere, die Melancholie, Zerbrochenheit und einen Hauch von Wahnsinn widerspiegeln, reizen ihn besonders.' Können Sie das so unterschreiben?
Diehl Karl Marx ist doch das beste Beispiel dagegen. Marx hat nichts Wahnsinniges, sondern etwas sehr Vernünftiges und sehr Klares. Marx war auch nie zerbrochen, er war höchstens gesundheitlich labil. Ich habe einige Rollen in der Richtung, wie die Gala es beschreibt, gespielt, aber eben auch viele andere Rollen.

Wo lag die besondere Herausforderung dieser Rolle?
Diehl Rein praktisch gesehen waren es die vielen verschiedenen Sprachen, die wir sprechen. Die Originalfassung enthält drei verschiedene Sprachen - deutsch, englisch und französisch - die wir alle selbst gesprochen haben. Und das war sehr viel Vorbereitung. Aber natürlich auch die Figur selbst und was es bedeutet, so jemanden zu spielen.

Halten Sie sein Werk, so weit Sie es kennen, heute noch für aktuell?
Diehl Große Teile davon ja, andere Teile dagegen nicht. Aber in einem Punkt hat er natürlich recht: Wir müssen anfangen, darüber nachzudenken, in welchem System wir auf der Welt miteinander leben wollen. Das finde ich, ist ein hochaktueller Gedanke. Der Kommunismus ist zusammengebrochen, aber wir wissen jetzt auch, dass der Kapitalismus ein System ist, das auf Dauer nicht funktionieren wird. Seit der Finanzkrise 2008 wissen wir, dass es seine Tücken und seine Gefahren hat. Sich damit zu beschäftigen, wie wir mit unserer Ökonomie miteinander leben wollen, das wird wieder sehr sehr aktuell. Alles wird gerade neu geformt, und da stößt man fast mit der Nase auf Karl Marx.

Können Sie nachvollziehen, dass Marx selbst in seiner Geburtsstadt eine umstrittene Figur ist?
Diehl Auf jeden Fall. Aber das hat seltsamerweise gar nicht so sehr mit ihm selbst zu tun, sondern vielmehr mit unserer Verknüpfung von Marx mit dem 20. Jahrhundert: Die Sowjetunion, die DDR und das große Elend, das seine Gedanken ja auch hervorgebracht haben. Aber wenn man sich mit Marx einmal beschäftigt, merkt man, das er mit dem 20. Jahrhundert eigentlich sehr wenig zu tun hat.
Er war der Französischen Revolution und dem 19. Jahrhundert sehr viel näher als dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und allem, was danach kam.SCHAUSPIELER MIT HOLLYWOOD-ERFAHRUNG

(lbe) August Diehl wurde 1976 in Berlin geboren. Sein Vater war selbst Schauspieler, die Mutter Kostümbildnerin. Er studierte an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Mit seiner ersten Hauptrolle in "23- nichts ist wie es scheint" gewann er den Deutschen Filmpreis. Diehl spielte in Hollywood-Filmen wie "Salt" und "Inglorious Basterds" mit. Er ist mit der Schauspielerin Julia Malik verheiratet, das Paar hat zwei Kinder.

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