Inseln der Glückseligkeit

Eindrucksvoller kann ein Saisonabschluss schwerlich sein. Das 8. Trierer Sinfoniekonzert bestach mit träumerischer Melancholie und infernalischer Drastik. Und mit einem exzellenten Cellosolisten.

Trier. Es gibt sie doch immer wieder, die kleinen Überraschungen. Jedenfalls für all die Besucher im 8. Sinfoniekonzert, denen Hector Berlioz als enfant terrible gilt. Victor Puhl und die Trierer Philharmoniker präsentierten mit einer Instrumentalszene aus der Sinfonie "Romeo et Juliette" einen anderen Berlioz - eine zarte, duftige Nachtmusik, eine klingende Insel der Glückseligkeit. Solche Musik ist für jedes Orchester eine hohe Hürde. Doch das Wichtigste gelang: die Stimmung zu beschwören, die Berlioz zaubert, eine Idylle, durch die sich eine Ahnung von Schwermut zieht. Puhl hat ein Sensorium für den Atem dieser Komposition, kann Spannungen aufbauen und zurücknehmen und lässt die Musik stellenweise ganz in sich ruhen. Ein Traum!

Und dann, exzellent, Solist Henri Demarquette mit Robert Schumanns Cellokonzert. Alles stimmt: Ton, Gestaltung, Intonation, lyrische Freiheit und Wärme. Demarquette muss sich auch in schwierigen Partien nicht mit angestrengter Brillanz behelfen. Wenn er aus der Tiefe heraus zu einer Kantilene ansetzt, tut er das mit einer generösen, weit ausholenden Geste und ohne Scheu vorm rauen, nur scheinbar unkultivierten Ton. Den Orchester-Einwürfen fehlt freilich die deutliche Unterscheidung in Haupt- und Nebenstimmen, fehlt trotz der motivierenden Gestik des Dirigenten die Impulsstärke. Erst im Finale, das aus den mal sanften, mal schweren Träumen der ersten Sätze jubelnd befreit, entwickeln sich die Philharmoniker zum echten Partner des Solisten.

Und schließlich, nach den Klangflächen von Witold Lutoslawskis lyrischer Groteske "Interlude": Igor Strawinskys "Feuervogel"-Suite. Auch in der kleiner besetzten Version von 1919 kleben an der Komposition noch Relikte der russischen Romantik. Aber Victor Puhl hat den ganzen, den echten Strawinsky im Visier. Er lässt sich auf schwülstige Höhepunkte und vibratoreiche Melodienseligkeit nicht ein.

Die Kantilenen im zweiten und vierten Satz bleiben schlank und frei von forciertem Ausdruckswillen. Der Schluss-Hymnus kommt ohne überladenes Pathos aus. Und der "Höllentanz des Königs Katschei" - welch ein Glanzstück des Orchesters! Eine infernalische Brillanz, die mit wohl kalkulierten Schockwirkungen immer wieder aufschreckt. Helle Begeisterung im Trierer Theater.

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