Kraft, Leidenschaft und Gefühl

Trier · Anne Haigis hat in der Tufa Trier ihr neues Album "Wanderlust" vorgestellt. Das Konzert der aus Rottweil stammenden Sängerin und ihres kongenialen Gitarristen Jan Iaacks hat sich zu einem intensiven, mitreißenden und emotionalen Erlebnis gesteigert.

Trier. Es ist völlig dunkel im kleinen Saal der Tufa. Plötzlich ist er erfüllt von der Rockballade "Out of the Rain". Und dass das Stück wohlige Schauer über den Rücken jagt, liegt nicht an der Finsternis. Anne Haigis Stimme hat ihn einfach, den Gänsehautfaktor.
Rauchig wie ein guter alter Whisky, fein vibrierend, zuweilen röhrend, zart flüsternd oder rhythmisch pulsierend geht dieses Organ unter die Haut, berührt alle Sinne. Darin äußern sich Reife und Stärke einer Frau, die nach mehr als fünf Lebensjahrzehnten und vielen musikalischen Begegnungen unter anderem mit Wolfgang Dauner, Wolf Maahn, Tony Carey, Eric Burdon, Nils Lofgren, Melissa Etheridge ihre ureigene Ausdruckskraft gefunden hat. Stilistisch bewegt sie sich dabei bezeichnenderweise zwischen Jazz, Rock und Blues, also all jenen Sparten, in denen es auf Individualität, Emotionalität und Kreativität ankommt.
Und genau diese Mischung macht auch das Konzert in der Tufa zu einem leidenschaftlichen, intimen Erlebnis. Haigis und ihr neuer musikalischer Partner, der junge Gitarrist Jan Iaacks stellen ihre neue CD "Wanderlust", gewidmet der Sehnsucht nach Freiheit und Ferne vor. Da gibt es viel amerikanisch Gefärbtes, wunderbar bluesige und rockige Balladen wie "Tennessee Tears", "America" oder die 70er-Jahre-Hommage "A long Time Ago". Die Stimme von Haigis findet dabei ihre virtuose Antwort in den Künsten des Gitarristen, der beim Delta-Blues genauso zu Hause ist wie bei Jimi Hendrix oder spanischen Konzertkompositionen. All das fließt zuweilen in genialen Improvisationen zusammen, die stürmisch gefeiert werden. Dazwischen spielt das Duo auch ältere Stücke, zum Beispiel ergreifende Titel von Trude Herr, die Haigis anlässlich deren 5. Todestages in Köln gesungen hat, wie das von Todesahnung geprägte "Nacht aus Glas". Furioses Finale ist "Chrome Plated Heart" von Melissa Etheridge.
Wer glaubt, das könne nichts mehr toppen, wird eines Besseren belehrt. Als Zugabe erklingen in ihrer Intensität so nie gehörte Versionen von Rod Stewarts "Waltzing Matilda" (Tom Trauberts Blues) und "Little Wing" von Jimi Hendrix - auch sie gehen unter die Haut.
Einvernehmliche Publikumsreaktion: Stehend applaudieren die Tufa-Gäste für eine ganz große Interpretin und einen unvergesslichen Abend. ae

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