Lustvoll und atemberaubend

Luxemburg · Einen glanzvollen Abend erlebten die Besucher in der Philharmonie mit András Schiff und der Capella Andrea Barca. Der Pianist und Dirigent bewies große Spielfreude, aber auch Gespür für die leisen Töne.

 Genie ohne Geniekult: András Schiff dirigiert in der Philharmonie Luxemburg sein Kammerorchester Capella Andrea Barca. Foto: Sébastien Grébille

Genie ohne Geniekult: András Schiff dirigiert in der Philharmonie Luxemburg sein Kammerorchester Capella Andrea Barca. Foto: Sébastien Grébille

Luxemburg. András Schiff ist einer, der einem schon mal den Atem rauben kann. Was augenblicklich an ihm fasziniert, ist seine Leichtigkeit, seine wunderbar selbstverständliche Hingabe zur Musik. Der gebürtige Ungar, der heute in London und Florenz lebt, ist ein Genie ganz ohne Geniekult, ein Gigant der leisen, tief einsichtigen Töne und, mit zunehmendem Alter, einer der abgeklärten.
Nach Luxemburg war der Pianist, der seit wenigen Tagen geadelt als Sir András Schiff zu titulieren ist, mit dem von ihm gegründeten und dirigierten, vorzüglichen Kammerorchester Capella Andrea Barca gekommen. Die Herren - einschließlich Sir András - allesamt im dunklen Anzug (die Damen entsprechend unauffällig gewandet), ließen schon dem Augenschein nach keinen Zweifel daran: Hier war kein Platz für Selbstdarsteller. Zusammenspiel auf Augenhöhe und musikalisches Miteinander im Dienste der Musik war angesagt.
Zwei Sinfonien von Franz Schubert und sein berühmtes "Forellenquintett" standen auf dem Programm. Dass dirigieren nicht Schiffs angestammtes Fach ist, war nicht zu übersehen. Dafür ist seine unbändige Freude daran umso mitreißender, die sich offensichtlich auch auf das Orchester überträgt. Seit jeher ist das Spielen im Wortsinn und die Lust daran, für den Pianisten eine Grundbedingung aller musikalischen wie schöpferischen Auseinandersetzung. Oft genug hat er das betont.
In Franz Schuberts 1.Sinfonie opferte Schiff allerdings gelegentlich die Feinabstimmung der Lust und der großen Geste. Unverkennbar kam allerdings schon hier sein geniales Talent zutage, herauszuspielen, was in der Musik an geistiger Kraft, an Poesie und Seele steckt. Großartig geriet das im "Forellenquintett", dem absoluten Höhepunkt des Abends, in dem Schiff mit drei exzellenten Streichern der "Capella" ein großartiges Ensemble bildete. Ausdrucksstark, geradezu lustvoll führten sie ihr kammermusikalisches Gespräch. Mit feinstem Klangsinn deuteten sie die Musik aus. Herrlich das Andante, dessen Klangseligkeit einem den Boden wegzog. Bratsche und Cello schufen einen intimen Klangraum, in dem schmerzlich schön Erich Höbarths Geige sang. Am weichen Bechstein Flügel war Schiff ein wunderbarer Partner. Unter seinen Händen glitten sanft die Wellen dahin. Wie Herzflimmern klangen zuweilen seine Triller. Ein anderes Mal waren sie nichts als Leuchten und von aller Sorge befreite Leichtigkeit. Das war geniale Deutungskunst.
Zum Schluss: Schuberts 4. Sinfonie. Auch da zeigte sich Schiffs meisterliche Fähigkeit, Unterströmungen hörbar zu machen. er

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