Als Lehrjunge hat er Mehlsäcke geschleppt

Morbach · Edmund Ertz, langjähriger Chef des Morbacher Hochwaldcafés und kürzlich mit dem Goldenen Meisterbrief ausgezeichnet, erinnert sich an frühere Zeiten, als es noch keine "Fabrikbrötchen" gab - dafür aber jede Menge Säcke zu schleppen waren.

 Sichtlich stolz hält Bäckermeister und Konditor Edmund Ertz seinen Goldenen Meisterbrief in Händen. Dieser ist mit der Geschichte des Morbacher Hochwaldcafés eng verbunden. TV-Foto: Ursula Schmieder

Sichtlich stolz hält Bäckermeister und Konditor Edmund Ertz seinen Goldenen Meisterbrief in Händen. Dieser ist mit der Geschichte des Morbacher Hochwaldcafés eng verbunden. TV-Foto: Ursula Schmieder

Morbach. Wenn Edmund Ertz von seinen Lehr- und frühen Berufsjahren erzählt, lässt er vor dem geistigen Auge Bilder aus längst vergangenen Zeiten entstehen. Denn als er den Grundstein für den nun erhaltenen Goldenen Meisterbrief legte, mischten noch regionale Müller mit beim täglichen Brotbacken. Für Bäcker war es folglich selbstverständlich, zentnerschwere Mehlsäcke zu schleppen. "Eddy" Ertz, der die Backöfen anfangs noch mit Kohle befeuern musste, erlebte allerdings auch die weniger mühsamen Zeiten. Denn die moderne Technik hat er selbst noch einbauen lassen in der Backstube des Morbacher Hochwaldcafés. Dass dort heute der Tankwagen vorfährt, um das Mehl tonnenweise an Ort und Stelle zu blasen, findet er aber noch immer bemerkenswert. In der Backstube werde nur noch ein Knopf gedrückt, um das Mehl per Gebläse in den Bottich zum Teigkneten zu befördern.
Dabei seien in den frühen 1970er Jahren noch Tauschgeschäfte zwischen Bauer, Müller und Bäcker üblich gewesen. Bauern erhielten von Müllern für ihr Getreide Mehl, wovon ein Teil als Lohn einbehalten wurde. Müller und Bäcker tauschten Mehl und Brot. Allerdings ging das Mehl nur gegen Brotmarken im Wert von je vier Pfund Mehl raus und für das Brot war ein Backlohn zu zahlen. Derart komplizierten Tauschgeschäften trauert der 74-Jährige zwar nicht nach. Doch an die Zeiten, als bei ihm täglich 500 Brote den Backofen verließen, denkt er schon etwas wehmütig zurück. Ebenso nachdenklich stimmt ihn der Siegeszug aufgebackener Tiefkühl-Teiglinge in Geschäften oder Tankstellen. "Das Handwerk leidet darunter, dass nur noch Fabrikbrötchen gegessen werden." Aber die Zeit sei nicht aufzuhalten.
Eine solche Entwicklung war nicht abzusehen, als er 1967 mit Ehefrau Hannelore den Betrieb von deren Eltern übernahm. Bereits nach drei Jahren erweiterten sie das Café Weyand mit weniger als 50 Sitzplätzen zum Hotel Hochwaldcafé mit 152 Plätzen und 26 Betten. 15 Jahre später vergrößerte und modernisierte Ertz die Backstube. 18 Vollzeit-Angestellte arbeiteten in diesen Boom-Jahren für das Familienunternehmen. Seit zwei Jahren ist der Betrieb, den 1997 Dorothee Ertz-Pölcher, eine von zwei Töchtern, übernahm und komplett neu einrichtete, verpachtet. Bis dahin hatte Ertz, über dessen Meisterbrief der Betrieb weiter läuft, bei Bedarf immer noch ausgeholfen.
Der gebürtige Haager, der selbst rund zwei Dutzend Lehrlinge ausbildete, erlernte das Bäckerhandwerk zufällig. Denn eigentlich wollte er als 15-Jähriger Metzger werden. Doch es war keine Lehrstelle frei. Daher traf es sich gut, dass ein Bäcker aus dem saarländischen Eppelborn verzweifelt einen Auszubildenden suchte. Da Verwandte als Kinder die letzten Kriegsjahre in Haag gelebt hatten, klopfte er dort eines Tages an, woraufhin Eddy seine Sachen packte und gleich mitfuhr.
Während der Lehrzeit kam er nur selten nach Hause. Denn die 90 Kilometer musste er per Fahrrad zurücklegen, was er aber gern auf sich nahm: "Der Zug war langsamer." urs

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