Eine Frau und ein Gedenktag

Wittlich · In Wittlich ist Waltraud dell\' Antonio stadtbekannt: Als Frau des verstorbenen Künstlers Silvio dell\' Antonio und als Leiterin eines Steinmetzbetriebs - aber kaum als die Person, die dafür gesorgt hat, dass die riesigen Stelen des Ehrenmals auf dem Friedhof, die Namen der Gefallenen und Kriegsopfer von Wittlich tragen.

 Im Kyllstandstein verewigt: Als Steinmetzin hat Waltraud dell' Antonio an den Stelen des Ehrenmals auf dem Wittlicher Friedhof gearbeitet. TV-Foto: Klaus Kimmling

Im Kyllstandstein verewigt: Als Steinmetzin hat Waltraud dell' Antonio an den Stelen des Ehrenmals auf dem Wittlicher Friedhof gearbeitet. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Volkstrauertag am kommenden Sonntag: Vor dem Ehrenmal aus Kyllsandstein, dessen Reliefs Hanns Scherl in der Zeit von 1956 bis 1959 schuf, werden sich wieder viele Menschen versammeln. Sie gedenken der Opfer der Kriege - besonders des Zweiten Weltkriegs - von denen 462 auf dem Wittlicher Friedhof ewiges Ruherecht haben.
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Und wer am Sonntag auf die Rückseite der drei Kyllsandsteinstelen blickt, kann dort auch ihre Namen lesen. "1917 im Westen gefallen", "In Russland 1944 vermisst","Durch Bombenangriff auf Wittlich an Heiligabend 1944 gestorben" steht dort hinter den Namen. Jeder Buchstabe und jede Jahreszahl ist in den Stein geschlagen. Eine Arbeit, mit der begonnen wurde, als das Ehrenmal vor mehr als 50 Jahren errichtet wurde. Kaum einer weiß, wer dafür verantwortlich war: eine zierliche, aber durchaus energische Frau. Waltraud dell\' Antonio, 89 Jahre alt. "Zwei meiner Meister und ich, wir haben ewig nur Schrift gehauen. Ich habe vorher alles in Kohle vorgeschrieben", erinnert sich die Steinmetzmeisterin, die einst einen Betrieb mit 18 Mann geleitet hat.
"Wir haben alle direkt hier auf dem Friedhof gearbeitet, weil die Blöcke so schwer waren." Jetzt steht sie neben den Stelen, liest noch einmal, was sie damals geschaffen hat: "Ich bin ja Urwittlicherin und habe fast alle gekannt, jeden Menschen hinter den Namen." Auch ihr eigener und einziger Bruder ist während des Kriegs im Balkan gefallen. "Er müsste dort stehen", sagt sie und zeigt mit einem Stock auf die Stelle im Stein: "Waldemar Kunsmann". Die Wittlicherin findet die Würdigung der Kriegstoten wichtig, nicht nur weil sie beruflich für sie damals ein großes Thema war. "Die Toten haben für uns gekämpft. Wir sind nur lebendig, weil die für uns gestorben sind. Deshalb haben sie ewiges Ruherecht", sagt sie und fährt mit einer Hand über die Schrift: "Das muss 200 Jahre halten! So etwas muss mit Gefühl und von Hand gemacht werden. Und da darf kein einziger Fehler passieren."
Eine Arbeit, die man sich als Laie kaum vorstellen kann. Aber dell\' Antonio ist ein Profi: "Ich habe ja acht Semester lang Steinschrift gemacht. Ich glaube, ich war in dieser Zeit die einzige deutsche Steinmetzmeisterin."

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