GLAUBE IM ALLTAG

In meinem Zimmer hängt ein echter Setzkasten. Zunächst erinnert er mich an meinen Vater, der Setzermeister war, ein Beruf, den es so heute nicht mehr gibt.

In den vielen kleinen Fächer des Setzkastens sind unzählige Kleinigkeiten aufgehoben, die mich an viele Menschen und Ereignisse in meinem nun doch schon langen Leben erinnern. Fast alle Feste haben einen Erinnerungskern, auch wenn dieser mittlerweile häufig durch kommerzielle Interessen überlagert wird wie etwa die bevorstehende Advent- und Weihnachtszeit. Jedes Abendmahl bzw. jede Eucharistie ist eine Erinnerungsfeier - "Tut dies zu meinem Gedächtnis" lautet der Auftrag Jesu. Viele Erinnerungen tun uns gut und erfreuen uns. Es gibt auch Dinge, an die wir lieber nicht denken. Aber beides gehört zu unserer Geschichte und hat uns zu dem Menschen gemacht, der wir jetzt sind. Nur auf dem Fundament unserer persönlichen Geschichte und auch der unserer Welt können wir die Gegenwart gestalten und unsere Zukunft bauen. Sich erinnern bedeutet zu unseren Wurzeln zu stehen. Am 27 November soll an der Autobahnkirche St. Paul in Wittlich ein Mahnmal mit der Inschrift "Den Zwangsarbeitern beim Bau der Autobahn 1939-42 zum Gedenken" enthüllt werden. Ein Wittlicher Künstler hat ein beeindruckendes Modell geschaffen. Auch wenn dieser auf sein Honorar verzichtet, wird es nicht billig. Sollte man das Geld nicht besser für aktuelle Not verwenden? "Wer seine Vergangenheit nicht kennt, den kann es die Zukunft kosten" meint der Dichter Reiner Kunze. In diesem Sinne ist Zukunft nur dann verantwortlich zu gestalten, wenn wir uns erinnern, unsere Vergangenheit, auch die unangenehme, annehmen und mit ihr im Rücken unsere eigene Zukunft und die der Gesellschaft, der Kirche und so weiter gestalten. So möchte das Mahnmal die Erinnerung an fürchterliches Unrecht wachhalten in der Hoffnung, dass sich nie wieder ein Klima in unserer Gesellschaft entwickeln kann, das solche Untaten ermöglicht. Erinnerungskultur ist eine wichtige Voraussetzung für gelingende Gegenwarts- und Zukunftsgestaltung. Ein Setzkasten könnte ein Spiegel unseres Lebens sein: viele Facetten, aber alles gehört zusammen und macht unser Leben aus. Wolfram Viertelhaus, Wittlich, Lehrer im Ruhestand

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