Justiz Belastungszeugen im Generalstreik - schwieriger Prozess vor dem Landgericht

Trier/Wittlich · Es ist ein steiniger Weg zur Wahrheitsfindung für die Strafkammer des Landgerichts.

Prozess wegen Raub, Nötigung, Körperverletzung, Drogen vorm Landgericht
Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Raub, Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Geiselnahme, Handel mit Drogen in nicht geringer Menge und Verstoß gegen das Waffengesetz: „Im Schweinsgalopp durchs Strafgesetzbuch“ könnte über der Liste Missetaten stehen, die Staatsanwalt Matthias Juchem den Angeklagten K. und B. K. zur Last legt.

Seit zwei Tagen verhandelt die Erste Große Strafkammer des Landgerichts über diese Ballung verschiedenster Straftaten innerhalb der deutsch-luxemburgischen Drogendealerszene, zu denen es zwischen dem 23. und 24. Juni 2020 gekommen sein soll. Tatorte seien Trier und Wittlich gewesen.

In seinen Details klingt der Tatablauf verwinkelt und verwirrend. Es soll alles damit begonnen haben, dass der Hauptangeklagte K. am 23. Mai 2020 ein Kilogramm Marihuana an Interessenten aus Luxemburg habe verkaufen wollen. Der Handel sollte in K‘s Wittlicher Wohnung über die Bühne gehen, wobei K. nicht selbst anwesend sein konnte, sondern einen Kumpel beauftragte, gegen den gesondert ermittelt wird. Ein Kauf sei jedoch nicht zustande gekommen, sondern die Gesandten aus Luxemburg hätten die Ware geraubt und dabei K‘s Kumpel so traktiert, dass er im Krankenhaus landete. K. habe sofort einen gewissen T. als Drahtzieher hinter dem Coup vermutet und von Wittlich aus eine Truppe zusammengetrommelt, mit der er in Trier einen Rachefeldzug gegen T. habe starten wollen.

Da aber T. in Trier nicht greifbar gewesen sei, habe man sich dort in der Nacht zum 25. Mai zwei seiner Bekannten zur Brust genommen. Einer der beiden sei in T‘s Auto gegen seinen Willen von Trier nach Wittlich verschleppt und dort von der Gruppe, insbesondere aber von den beiden Angeklagten, erheblich misshandelt worden sein. Als er Kopfschläge mit einem abgesägten Stromkabel erhalten habe, sei davon ein abschreckendes Video erstellt worden. Die Aufnahmen sollen sie dann an T. geschickt haben mit der Drohung, dass es ihm genauso ergehen werde.

Mit dem Zug sei das verletzte Tat­opfer später von Wittlich-Wengerohr nach Trier zurückgefahren, wo sich der junge Mann ambulant im Krankenhaus habe behandeln lassen. Die Angeklagten haben sich bisher zu den Vorwürfen nicht geäußert, aber sie sollen eine vierstellige Entschädigung an die Gegenseite gezahlt haben.

Völlig ungewöhnlich ist in dem Verfahren das Verhalten der meisten Zeugen – die sind nämlich geschlossen in den Streik getreten, soweit es sich um mögliche Leute aus der „Szene“ handelt. Schon am ersten Verhandlungstag sollte das in Wittlich misshandelte Tatopfer als Hauptbelastungszeuge aussagen. Doch der junge Mann schaltete total auf stur, konnte sich an nichts mehr erinnern. Auch Drohungen mit Geldbußen und Beugehaft blieben wirkungslos (wir berichteten).

Am zweiten Sitzungstag soll der Mann wie vereinbart mit seinem Rechtsbeistand Sven Collet kommen. Doch der Trierer Anwalt kommt allein und berichtet, wie er vergeblich auf allen Wegen versucht hat, mit dem Zeugen Kontakt aufzunehmen.

Die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz hat dazu noch eine aktuelle Ergänzung: „Der Vater des Zeugen hat heute morgen dem Landgericht kurzfristig mitgeteilt, dass der Sohn erkrankt sei und auch ein ärztliches Attest habe. Nun werden wir ihn demnächst polizeilich vorführen lassen.“

Dann stehen zwei weitere Zeugen aus dem Szenekreis auf dem Programm. Der Zeitpunkt, an dem der nächste Zeuge auf dem Gang vor dem Saal warten sollte, ist gekommen. „Da ist aber niemand“, erklärt der Wachtmeister nachdem er draußen war. Der Vorsitzenden dämmert es: „Das sieht so aus, als hätte man sich unter diesen Zeugen abgesprochen.“

Dann erscheint ein real existierender Zeuge. Allerdings kann der gar nicht anders, denn er sitzt gerade in der Justizvollzugsanstalt (JVA) und wird vorgeführt. Dennoch eine zwecklose Veranstaltung. „Ich werde hier jede Aussage verweigern“, erklärt er sofort. Denkt er, er habe in der JVA ohnehin nichts mehr zu verlieren? Der Staatsanwalt klärt ihn auf, allerdings ohne Erfolg: „Diese Verweigerung kommt einer Falschaussage gleich. Es kann passieren, dass zu Ihren drei Jahren noch ein paar Monate dazu kommen.“

Und dann wäre da noch ein Zeuge aus diesem Umfeld. Aber wie erwartet erscheint auch er nicht. Er kann angeblich nicht kommen, weil er sich nach einer Spanienreise gerade in Corona-Quarantäne befinden soll. So wird die Wahrheitsfindung zum steinigen Weg.

Die Sache ist inzwischen bis zum 9. Juni terminiert. Nächste Verhandlung ist am 8. April, 9 Uhr.

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