Ex-Finanzminister Carsten Kühl im TV-Interview: scharfe Kritik am Rechnungshof

Mainz · Zu früh zurückgetreten, Carsten Kühl? Nachdem die Staatsanwaltschaft dem Ex-Finanzminister in der Causa Nürburgring einwandfreies rechtliches Verhalten bescheinigt hat, sagt dieser, Ministerpräsidentin Malu Dreyer habe es so gewollt. Kühl greift im TV-Interview den Rechnungshof an.

Mainz. Carsten Kühl macht erst mal Urlaub. Abschalten im sonnigen Süden auf Lanzarote. TV-Redakteur Frank Giarra sprach mit Kühl über die Turbulenzen der vergangenen Wochen, sein Ausscheiden aus der Landesregierung und seine Zukunftspläne.Herr Kühl, sind Sie erleichtert, dass die Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen gegen Sie einleitet?
Carsten Kühl: Ich habe das so erwartet. Eine solche Kreditumschuldung wie am Nürburgring (330-Millionen-Euro-Kredit über Landesförderbank ISB, Red.) ist kein Rechtsverstoß. Das hatten mir alle Rechtsexperten genau so bestätigt.

Ist Ihr Rücktritt vor diesem Hintergrund zu früh gekommen?
Kühl: Den Rücktritt zu diesem Zeitpunkt wollte die Ministerpräsidentin. Sie wird sich etwas dabei gedacht haben.Sind Sie sauer auf Malu Dreyer oder enttäuscht von ihr?
Kühl: Es wäre doch unglaubwürdig, wenn ich sagen würde, dass mich das nicht getroffen hat. Aber ich habe vor rund zehn Jahren einen unkündbaren Job bewusst gegen einen Job mit fristloser Kündigung eingetauscht. Ich finde, dann darf man sich auch nicht allzu sehr beschweren, wenn's passiert.

Welche Rolle hat der kritische Rechnungshofbericht gespielt?
Kühl: Ich kann nachvollziehen, dass die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen eingeleitet hat. Der Rechnungshofbericht hatte ja den Eindruck strafrechtlicher Relevanz erweckt. Warum, ist mir ein Rätsel.Rechnungshofpräsident Behnke hat seinerseits beklagt, der Respekt vor seiner unabhängigen Behörde sei entwicklungsfähig.
Kühl: Man darf den zu Recht eingeforderten Respekt vor der Unabhängigkeit des Rechnungshofs nicht mit falschem Respekt vor einer vermeintlichen Unfehlbarkeit verwechseln. Menschen machen Fehler. Entscheidend ist, wie sie damit umgehen.

Laut Behnke ist die Landesregierung aggressiv und unsachlich mit dem Rechnungshofbericht umgegangen.
Kühl: Wir haben sachliche Fehler des Rechnungshofs - und es waren eben nicht nur die eingeräumten "kleineren Ungenauigkeiten" - offen und deutlich angesprochen, übrigens bereits in der mündlichen und schriftlichen Stellungnahme zum Entwurf des Berichtes. Der Rechnungshof hätte also korrigieren können, bevor das Gutachten öffentlich wird. Wenn er dies nicht tut, muss er sich bewusst sein, welche politische Wirkung er damit entfaltet und dass er sich in die politische Auseinandersetzung begibt. Mir wäre es anders lieber gewesen.Der Rechnungshofpräsident sagt, es sei nicht Aufgabe seiner Behörde zu gefallen.
Kühl: Da hat Herr Behnke vollkommen Recht. Aber salopp gesagt ist es auch nicht Aufgabe einer Regierung, sich alles gefallen zu lassen, vor allem wenn es der Aufklärung in der Sache dient.

Wo hat der Rechnungshof Ihrer Ansicht nach politisch relevante Fehler gemacht?
Kühl: In dem Bereich, den ich zu verantworten hatte, gilt das ganz sicher für die unzulängliche faktische Bewertung des Kreditrisikos, aber auch für die haushaltsrechtliche Beurteilung durch den Rechnungshof. Es kann doch niemand bestreiten, dass dessen Aussagen gerade zu diesen Punkten am Tag ihres Erscheinens die politische Diskussion bestimmt haben.Aber sollte eine Regierung die Auseinandersetzung mit dem Rechnungshof öffentlich führen?
Kühl: Ja. Erstens leben wir in einer Demokratie. Zweitens ist Präsident Behnke selbst nicht gerade schüchtern, wenn es darum geht, seinerseits den Weg über die Öffentlichkeit zu suchen.

Der grüne Abgeordnete Ulrich Steinbach wird Vizepräsident des Rechnungshofs. Wird dadurch die politische Komponente nicht noch verstärkt? Die CDU-Opposition spricht von einem Aufpasser.
Kühl: Das glaube ich nicht. Uli Steinbach weiß, wie Rechnungshof geht. Er hat viele Jahre im hessischen Rechnungshof gearbeitet. Er wird Speyer guttun.Wie geht es bei Ihnen weiter? Kehren Sie in die Politik zurück?
Kühl: Ich war und bleibe ein politischer Mensch. Dafür muss man kein politisches Amt bekleiden. Prinzipiell ausschließen würde ich das aber auch nicht.

Wann steigen Sie wieder ins Berufsleben ein?
Kühl: Ich habe mir die jetzige Situation nicht gewünscht. Aber sie bietet die Chance, die Weichen beruflich und privat neu zu stellen. Darüber sollte man lieber ein paar Tage länger nachdenken, als übereilt zu entscheiden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort