Nitrate im Grundwasser: Viele neue Regeln für die Bauern

Trier/Berlin/Mainz · Für Pflanzen ist Nitrat ein wichtiger Dünger, im Wasser hingegen kann es zur Gefahr werden. Weil das rheinland-pfälzische Grundwasser schon stark belastet ist, werden Bauern sich bei der Düngung künftig an andere Regeln halten müssen.

Trier/Berlin/Mainz. Die meisten Menschen stören sich an Gülle, weil sie stinkt. Und nicht, weil sie Stickstoff enthält, der ins Grundwasser gelangen könnte. Während die Geruchsbelästigung vorübergeht, kann Nitrat, das im Boden versickert, Grundwasser auf lange Zeit verunreinigen. Gelangt der Stoff in höheren Konzentrationen ins Trinkwasser, wird er auch zum gesundheitlichen Risiko. Da die Belastung des Grundwassers in Rheinland-Pfalz - wie in Gesamtdeutschland - hoch ist, widmen sich verschiedene politische Ebenen dem Problem. Für Landwirte dürfte sich bald einiges ändern. Ein Überblick:

Die Düngung: Bauern nutzen Gülle, Mist oder mineralischen Dünger, um die Fruchtbarkeit ihrer Äcker und Weiden zu erhöhen. Derzeit dürfen Betriebe jährlich bis zu 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar ausbringen. "Das ist das Dreifache dessen, was in Rheinland-Pfalz üblich ist", sagt Friedhelm Fritsch, der für die Dienstleistungszentren Ländlicher Raum die Düngeberatung koordiniert und bis vor kurzem auch für die "Bestrafung" derer zuständig war, die gegen die Düngeverordnung verstoßen. Selbst die meisten Viehhalter kämen nicht auf diesen Wert. Lediglich im Eifelkreis Bitburg-Prüm passiere dies gelegentlich.
Weil die Pflanzen im Winter nur wenig Stickstoff aufnehmen und die Gefahr besteht, dass der Dünger abgespült wird, sieht die aktuelle Düngeverordnung vor, dass Äcker zwischen dem 1. November und dem 31. Januar nicht gedüngt werden dürfen. Für Grünland gilt das Verbot zwischen dem 15. November und dem 31. Januar. Laut Fritsch geht fast täglich irgendwo in Rheinland-Pfalz eine Anzeige wegen eines möglichen Verstoßes ein.

Die Belastung des Grundwassers: Dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium zufolge sind 39 Prozent des Grundwasservorkommens in einem schlechten chemischen Zustand: Das Wasser ist zu stark mit Nitrat belastet. Besonders hohe Werte werden in Rheinhessen und der Vorderpfalz gemessen, die durch Wein-, Obst- und Gemüsebau geprägt sind. Stark belastet ist aber auch das Bitburger Land, wo im Landesvergleich noch viel Vieh gehalten wird, sowie der ackerbaulich geprägte Saargau. Zahlreiche Grenzwertüberschreitungen gibt es auch an Messstellen entlang der Mosel (siehe Karte). Der natürliche Nitratgehalt des Wassers erreicht maximal zehn Milligramm pro Liter. Unter landwirtschaftlichen Flächen werden allerdings leicht Werte bis 150 Milligramm/Liter gemessen - ein Dreifaches des Grenzwertes.

Trinkwasser darf nicht mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter enthalten. Daher kann es vorkommen, dass Brunnen oder Quellen aufgegeben werden müssen - so wie ein Brunnen bei Siebenborn an der Mosel. Das Wasserwerk in Kenn ist schon seit Ende der 70er Jahre außer Betrieb. Andernfalls muss das Wasser aufbereitet werden. Dies geschieht laut Umweltministerium am häufigsten durch Mischung mit nitratarmem Grundwasser.
Eine Praxis, auf die man sich technisch auch im Bitburger Land eingestellt hat, wo fünf Quellen mit durchschnittlich 40 Milligramm Nitrat pro Liter relativ stark belastet sind. Falls der Grenzwert erreicht werden sollte, hätte die Verbandsgemeine die Möglichkeit, Wasser von Tiefbrunnen hinzuzumischen oder die Versorgung komplett über andere Quellen sicherzustellen. "Aufgrund dieser Möglichkeiten spielt die Nitratproblematik eine untergeordnete Rolle", sagt Bürgermeister Josef Junk. Dennoch sei eine Verschärfung der Düngeverordnung aus der Sicht eines Wasserversorgers zu begrüßen.
Der Zweckverband Wasserversorgung Eifel-Mosel mischt das Wasser des Brunnens in Wittlich-Bombogen (36 Milligramm Nitrat) mit dem von Wittlich-Wengerohr (32 Milligramm) und dem aus der oberen Salm, das lediglich 3,4 Milligramm enthält, sodass das Trinkwasser 21 Milligramm Nitrat enthält.
Das Wasser der Stadt Trier ist so schadstoffarm, dass eine Mischung nicht nötig ist. Jenes aus der Riveris-Talsperre enthält weniger als fünf, jenes aus dem Kylltal weniger als acht Milligramm Nitrat. Allerdings steigt die Belastung im Kylltal kontinuierlich.

Die gesundheitlichen Risiken: Nitrat (NO3) an sich ist nicht gefährlich. Doch kann es im Körper in Nitrit (NO2-) umgewandelt werden. Dieses ist für Babys gesundheitsgefährdend, weil die Sauerstoffaufnahme im Blut gehemmt wird und es zum Ersticken kommen kann (Blausucht). Die zweite Gefahr, die von der Aufnahme hoher Nitratmengen ausgeht und auch Erwachsene trifft, ist die Entstehung von krebserregenden Nitrosaminen.

Die geplanten Neuregelungen: Auf Druck der EU, die die Grundwasserqualität bemängelt, bereitet Deutschland schon seit geraumer Zeit eine strengere Düngeverordnung vor. Sie soll, so das Bundeslandwirtschaftsministerium, "so schnell wie möglich" beschlossen werden. Auch wenn Politik und Lobbyisten noch um die Details ringen, zeichnet sich ab, dass die Sperrfristen ausgeweitet werden. Schon ab dem 1. Oktober darf dann kein Dünger mehr auf den Acker und frühestens wieder ab dem 15. Februar. Zudem werden die pauschalen Höchstmengen abgeschafft. Stattdessen sollen Bauern für ihre Flächen individuell berechnen, wie hoch der Bedarf der Pflanzen ist. Dazu wurde laut Ministerium zusammen mit den Landwirtschaftskammern ein bundesweit einheitliches System zur Düngebedarfsermittlung entwickelt. Mit alledem geht einher, dass Bauern ein größeres Lagervolumen für Gülle brauchen.
Weil es dem Mainzer Landwirtschaftsministerium stinkt, dass organischer Dünger aus den Niederlanden nach Rheinland-Pfalz importiert wird, wird es dazu eine neue "Verbringungsverordnung" geben. "Industrielle Tierhaltung in anderen Ländern findet unter für uns nicht nachprüfbaren Bedingungen statt", sagt Ministeriumssprecherin Heike Spannagel. Auch der Einsatz von Hormonen und Pharmazeutika lasse sich kaum nachprüfen. Künftig muss ab einer bestimmten Güllemenge jede einzelne Lieferung gemeldet werden. Zudem soll der Landwirt dokumentieren, welche Flächen er düngt.

Reaktion der Winzer: "Die Schuld unserer Großväter und Urgroßväter haben wir heute noch zu tragen", sagt Rolf Haxel, Präsident des rheinland-pfälzischen Weinbauverbands, im Hinblick auf das Grundwasser, das in vielen Weinbaugebieten besonders stark belastet ist. Allerdings sind die Zeiten, in denen man nach dem Motto "viel hilft viel" verfuhr, lange vorbei. "Die Düngung ist im Weinbau drastisch zurückgegangen", sagt Haxel. Wer einen Qualitätswein erzeugen will, darf nicht mehr als 12 500 Liter pro Hektar ernten. Intensive Düngung wäre kontraproduktiv. Außer zusätzlicher Bürokratie hat die neue Verordnung für Winzer laut Haxel kaum Auswirkungen.
Die Bauern sind nicht sehr begeistert von den neuen Regeln. "Unsere Schweinehalter bekommen ein Problem", sagt Michael Horper, Vizepräsident des Bauernverbandes Rheinland-Nassau. Denn ihnen werde nur noch ein kleines Zeitfenster bleiben, um ihre Äcker zu düngen, da die Wachstumsphase des Wintergetreides in die Sperrfrist fallen dürfte. Auch müssen sie wohl in neue Gülletanks investieren. "Der Natur ist so auch nicht geholfen - irgendwann wird die Gülle ja gefahren", sagt Horper. Für die Milchviehhalter ist das Problem weniger groß, weil Grünland in einem größeren Zeitfenster gedüngt werden kann. Dennoch findet Horper die starren Fristen nicht gut. Sie seien auch fachlich nicht fundiert. Schließlich wachse das Gras bei milden Temperaturen auch im Winter noch.
Die geplante Landesverordnung zur Einschränkung der Gülleimporte hält Ralph Gockel von der Landwirtschaftskammer angesichts der wenigen betroffenen Betriebe für überflüssig und überzogen. 2011 hatten 41 rheinland-pfälzische Bauern Gülle importiert, 2012 waren es 22.

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