Trier Nach der Amokfahrt: „Da war das reinste Chaos“

Trier · Im Trierer Amokprozess haben am Freitag mehrere Polizisten ihre Eindrücke vom Tatort geschildert. Es sind bedrückende Schilderungen.

 Der mit Hans- und Fußschellen gefesselte Angeklagte wird am Freitag von einem Justizbediensteten in den Gerichtssaal geführt.

Der mit Hans- und Fußschellen gefesselte Angeklagte wird am Freitag von einem Justizbediensteten in den Gerichtssaal geführt.

Foto: TV/Rolf Seydewitz

Wer den im August begonnenen Amokprozess im großen Sitzungssaal des Trierer Landgerichts mitverfolgt, braucht an manchen Tagen starke Nerven. Am Freitag ist so ein Tag. Für einen kurzen Moment nur und nach ausdrücklicher Vorwarnung der Vorsitzenden Richterin Petra Schmitz wird das Foto einer Frau gezeigt, die bei der Amokfahrt am 1. Dezember vergangenen Jahres ihr Leben verloren hat.

Die Hilfskräfte, berichtet ein Kripobeamter, der damals selbst vor Ort war, hätten noch alles versucht, um die Frau zu retten. Doch die Verletzungen der 73-Jährigen waren zu schwerwiegend. Die Frau starb im Rettungswagen.

Auch ein anderer Polizist, der mit zwei Kollegen an jenem 1. Dezembernachmittag in die Fußgängerzone beordert wurde und irgendwann den Streifenwagen stehen ließ, um zu Fuß vom Hauptmarkt Richtung Konstantinstraße zu gehen, erzählt am Freitag im Landgericht von schlimmen Bildern, die die Beamten zu sehen bekamen. Auf dem Hauptmarkt hätten sich Helfer und Passanten um einen Mann und einen Säugling gekümmert. Dass es nicht gut um die beiden steht, „hat man gesehen“, erinnert sich der junge Polizist. Später erfährt er, dass es sich bei den beiden Verstorbenen um den Vater und die erst neun Wochen alte Tochter gehandelt hat. Auch an der lebensgefährlich verletzten Frau in der Brotstraße kommen die Beamten vorbei.

Zu diesem Zeitpunkt wissen die Polizisten noch nicht, dass es sich nur um einen Täter handelt, den die Kollegen mittlerweile auch schon in der Nähe der Porta Nigra festgenommen haben. Ähnliches berichtet am Freitag auch ihr Kollege von der Kripo, der als einer der ersten Polizisten Ecke Konstantinstraße/Brotstraße eintraf, wo die Amokfahrt begann. „Da war das reinste Chaos“, erinnert er sich in der Verhandlung, „einige Leute lagen am Boden, andere liefen schreiend umher.“ Er selbst habe zunächst an einen terroristischen Hintergrund gedacht. „Alles war unklar.“

Von allen Seiten kamen teils verletzte Menschen auf den Beamten zu, berichteten davon, dass der Fahrer eines silberfarbenen Wagens bewusst auf die Menschen in der Fußgängerzone zugerast sei. Die ältere Frau, die wenig später ihren schweren Verletzungen erlag, war mit ihrem Ehemann in der Brotstraße unterwegs, als der Amokfahrer sie umfuhr. Der 77-jährige Mann wurde schwerst verletzt, er starb erst vor wenigen Wochen. Ob auch an den Folgen des Gewaltverbrechens, muss noch ein Gutachten klären. Dass nicht nur die Opfer und unmittelbar Betroffenen an den Geschehnissen leiden, sondern auch viele Helfer und Polizisten, wurde schon an den vorausgegangenen Prozesstagen deutlich. Einige als Zeugen geladene Beamten konnten ihre Tränen nicht verbergen, bei anderen stockte die Stimme. „Es hat bei mir Spuren hinterlassen“, sagt am Freitag auch der 30-jährige Beamte, der mit den Kollegen zwischen Hauptmarkt und Konstantinstraße unterwegs war und so viel Leid zu sehen und hören bekam. „Heute“, sagt er auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin, „kommt alles wieder hoch.“ Doch er habe sich vorgenommen, dass er nach der heutigen Verhandlung „von all dem nichts mehr wissen und hören will“.

 Der „angekettete“ Lautsprecher auf dem Tisch des Angeklagten.

Der „angekettete“ Lautsprecher auf dem Tisch des Angeklagten.

Foto: TV/Rolf Seydewitz
 Der „angekettete“ Lautsprecher auf dem Tisch des Angeklagten.

Der „angekettete“ Lautsprecher auf dem Tisch des Angeklagten.

Foto: TV/Rolf Seydewitz

Der Prozess wird am übernächsten Freitag fortgesetzt.

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